Fruchtbare Konkurrenz

In den östlichen EU-Beitrittsländern boomt der Biomarkt. Westliche Hersteller befürchten Preisdumping. Doch die Öffnung birgt Chancen für alle Seiten: Know-how trifft Nachfrage

VON CHRISTOPH RASCH

Mehr als 650.000 Hektar biologisch verträglich blühende Landschaften bescherten die Länder in Mittel- und Osteuropa mit ihrem Beitritt der EU. Wo fehlendes Know-how und zentralistische Wirtschaft bisher nur wenig Platz für ökologischen Landbau ließen, konnte die zum Beitrittsdatum – dem 1. Mai 2004 – in Kraft getretene EU-Ökoverordnung in den einstigen Planwirtschaften inzwischen weitgehend umgesetzt und erfüllt werden.

Viele osteuropäische Landwirtschaftsminister sehen für ihre Länder im Ökolandbau die Chance, eine florierende Agrarwirtschaft aufzubauen. Und von ihren EU-Kollegen aus dem Westen bekommen sie Schützenhilfe: Der Biomarkt, so die grüne Verbraucherschutzministerin Renate Künast, „ist und bleibt ein Wachstumsmarkt“, dem auch die EU-Osterweiterung neue Chancen eröffne. Tatsächlich registriert die deutsche Ökobranche – nicht ganz ohne Konkurrenzängste –, dass osteuropäische Anbieter „mit Macht“ auch auf den deutschen Markt drängen, der mit 3 Milliarden Euro Umsatz immerhin größter Abnehmer von Bioprodukten ist.

„Ist in München ein Ökoschwein aus Tschechien nicht regionaler als ein Ökoschwein aus Dänemark?“, fragt Katharina Reuter, Agrarexpertin der Berliner Humboldt-Universität. Sie empfiehlt den deutschen Ökolandwirten, langfristig ihre Marktführerschaft in Sachen Qualität, Verarbeitung und Lieferantensystem auszubauen, um etwa gegenüber geografisch benachbarten Betrieben konkurrenzfähig zu bleiben. Vor allem Getreide und Ölsaaten aus dem Osten werden auf den deutschen Markt kommen.

„Kurzfristig allerdings ist nicht mit einem steigenden Import und damit Preisdruck in Deutschland zu rechnen“, prognostiziert Reuter, die derzeit über den ökologischen Landbau in Osteuropa promoviert. Denn noch sind die Verarbeitungs- und Lieferkapazitäten nicht ausgebaut – und auch der vermeintliche Produktions-„Boom“ im Osten hat zwei Gesichter: So ist einerseits die Fläche für den ökologischen Landbau gegenüber dem Vorjahr um rund ein Viertel gewachsen und hat sich in Ländern wie Lettland und Litauen sogar verdoppelt.

Andererseits hinkt der Absatz der Ökoerzeugnisse in Osteuropa hinterher. Ungarn, Tschechien und die Slowakei produzieren vorzugsweise für den Export. Und auch in Polen wächst die Binnennachfrage für Ökoprodukte erst langsam und konzentriert sich auf rund 200 Reformhäuser in Ballungszentren.

„Noch herrscht ein erhebliches Informations- und Umsetzungsdefizit, an dessen Behebung noch hart zu arbeiten ist“, so Dorota Metera vom IUCN Programme Office für Mitteleuropa. Auf der Grünen Woche in Berlin stellte sie die Situation des Ökolandbaus in Polen dar. Ihr Fazit: Die Mehrheit der polnischen Ökobauern habe bislang nur „geringe Möglichkeiten, exportfähige Waren zu produzieren“.

Die Nonprofit-Organisation EkoConnect sammelt Daten und vernetzt Organisationen des Ökolandbaus in West- und Osteuropa. Ihr Geschäftsführer, Bernhard, meint: „Um auch langfristig im Ökolandbau eine Zukunft zu haben, sollten die mittel- und osteuropäischen Staaten ihre heimischen Biomärkte entwickeln und nicht nur auf den Export setzen.“ Dies würde neben der schnellen Entwicklung von Ökoflächen aber die Infrastruktur für Beratung, Verarbeitung und Qualitätssicherung voraussetzen.

Doch bislang schwinden in den Binnenmärkten osteuropäischer Länder die Hemmschwellen bei Konsumenten nur langsam. Obwohl in Mittel- und Osteuropa die Kaufkraft wächst, „wirken hohe Preise und auch die Produktpräsentation abschreckend auf die Kunden“, sagt Reuter. Die Folge: „Große Teile der Produktion werden konventionell vermarktet.“

Experten erwarten, dass auch in den kommenden Jahren eher westeuropäische Ökolebensmittelhersteller ihre Produkte nach Mittel- und Osteuropa liefern werden, weil die Hersteller dort oft noch nicht über Technik und Know-how für konkurrenzfähige Produktion verfügen. „Diese Importe“, so Jansen, „sind aber auch positiv für den dortigen Biomarkt.“ Mit zu kleinem Sortiment werden keine Kunden für Ökolandbau interessiert.