Erinnern in Badehose

Zwanzigtausend sollten „Kraft durch Freude“ im Rügener Nazi-Seebad Prora erleben. Jetzt verkauft der Bund einen Teilkomplex an einen privaten Unternehmer, der keine Büßerarbeit will

„Erinnerungsarbeit ohne Büßerhemd“ will der Unternehmer Kurt Meyer leisten und „Prora in die Normalität führen“. Ein schwieriges Unterfangen, denn der Ortsteil Prora des Ostseebades Binz auf Rügen ist geprägt von einem Bauwerk der Nationalsozialisten, die dort eine 4,5 Kilometer lange Ferienanlage direkt am Strand geplant und zu großen Teilen vollendet hatten. Das „Kraft durch Freude – Seebad der Zwanzigtausend“ wurde als solches nie genutzt und war bis 1990 militärisches Sperrgebiet. Kurt Meyer möchte jetzt einen Teil des Gebäudes wieder als Urlaubsanlage betreiben. In diesem sind derzeit Kultureinrichtungen, Museen und Gastronomie untergebracht. Am Mittwochabend stimmte der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages dem Verkauf des besterhaltendsten Teils des Komplexes, des Blocks III, für 340.000 Euro an den ehemaligen Verleger Meyer zu, der dort bereits unter anderem ein NVA-Museum betreibt.

„Eine Torheit“ nennt Jürgen Rostock vom Dokumentationszentrum Prora die Entscheidung des Bundestags. Er wirft Meyer einen unkritischen Umgang mit der Geschichte des Ortes vor, ein „Disneyland“ wolle dieser schaffen. Ein Vorwurf, von dem Meyer sich nicht getroffen fühlt. Die Besucherzahlen würden ihm recht geben, sagt er, und dass die Insel „mehr verdient“ habe als eine Gedenkstätte.

Er will ein „Hostel“ bauen mit Zweibettwohnungen zwischen 35 und 50 Quadratmetern. Ein Fünftel der Gäste sollen Familien, Alleinerziehende und Behinderte sein, der Rest „junge Leute, die dem Sport nahe stehen“. Für deren Aktivitäten plant er, die Sporthalle als Mehrzweckhalle wieder aufzubauen und hofft auf Kooperationen mit einem Landessportbund.

Die genauen Belegzahlen könne er noch nicht nennen, sagt Meyer. Ein als Speiseraum geplanter Neubau soll 400 Personen versorgen können. Mit diesen Plänen begibt sich Meyer in direkte Konkurrenz zum Deutschen Jugendherbergswerk (DJH), das auf dem Gelände eine Jugendherberge für 550 Personen bauen will – dafür allerdings 12 Millionen Euro auftreiben muss. Angst vor der Konkurrenz habe er nicht, sagt der Vorstandsvorsitzende des DJH Mecklenburg-Vorpommern, Andreas van der Sanden. „Rügen ist ein Markt für Jugendtourismus.“

Die Kritiker von Meyer beschäftigt derweilen etwas ganz anderes: Sie sorgen sich um ihre Existenz, wenn nicht mehr der Bund die Immobilie vermietet, sondern der private Betreiber. Der versichert, dass er auch in Zukunft zum Selbstkostenpreis vermieten wolle, macht aber auch keinen Hehl daraus, dass die Mieten steigen werden. Rauswerfen wolle er niemand, sagt Meyer. Allerdings müsse man die Verteilung im Gebäude „in einen vernünftigen Rahmen bringen“. In der Senkrechten oder in der Waagerechten solle später Platz für Kultur sein, sagt er.

Zweifel an dem Unternehmen bleiben. Bei einer genannten Investitionssumme von 40 Millionen Euro bezweifle er die Rentierlichkeit des Vorhabens, sagt der Bundestagsabgeordnete Lothar Mark (SPD), der sich als Kulturberichterstatter des Haushaltsausschuss intensiv mit Prora befasst und die Pläne Meyers abgelehnt hatte, weil diese der historischen Besonderheit des Ortes nicht gerecht würden. „Bedenklich“ findet er die Aussage Meyers, Prora aus dem „Büßerhemd“ zu helfen. E. Bruhn