Gütesiegel der Kürschnergilde

Hier druckt der Bär: Der Bildband „Bärlinale“ zeigt die Geschichte des Berliner Bären als grafisches Symbol

Man muss ihn nicht mögen, den Berliner Bären. Aber es führt kein Weg an dem Eingeständnis vorbei, dass er tatsächlich das adäquate Berlin-Symbol ist: nett und kuschelig, öfters mal ungeschickt und immer dem Wohlleben zugeneigt. Gleichzeitig aber auch leicht in Wut zu bringen, dann kaum zu stoppen, öfters mal schlecht gelaunt, mit einem dicken Fell gesegnet, am Ende des Tages eben auch ein ziemlicher Taugenichts. Wahrscheinlich sind die gelungensten Bearbeitungen des Berliner Bären als grafisches Symbol deshalb auch Politplakate oder Bierwerbungen.

300 Bären haben Sandra Siewert, Dirk Berger und Ingo Müller für „Bärlinale“ aufgetrieben (s. wert design, 19 x 19 cm, 144 Seiten, zweisprachig deutsch/englisch, vierfarbig, Broschur, Preis 19,90 Euro). Und im Unterschied zu dem letzten Buch des Herausgeberkollektivs, das den Fernsehturm vom Alexanderplatz als grafisches Symbol vorstellte und somit einen recht überschaubaren Zeitraum verhandelte, ließ sich die grafische Verarbeitung des Bären nicht ohne weiteres in den Rahmen einer Chronologie zwingen – den Bären gibt es schließlich schon seit 1280, als er das erste Mal auf dem Gildesiegel der Berliner Kürschnergilde auftauchte. 1875 entfernte das Magistrat der Stadt das Halsband, das den Bären bis dato an den königlichen Adler gefesselt hatte. Das Buch erzählt die Geschichte des Bären als Berliner Symbol von A wie „Anfang“ bis Z wie „Zeitschrift“.

Wobei sich die schönsten Logos unter G wie „Getränke“ und in den zahlreichen Politkapiteln finden, von „Demokratie“ über „Initiativen“ bis „Olympia“. Der kellnernde Bär von Berliner Pilsener etwa, der sich in den 103 Jahren seiner Existenz erstaunlich wenig verändert hat, oder der glückliche Teddy des Bären-Biers, der unter dem Slogan „Bärenbier bringt gute Laune“ mit heraushängender Zunge zum Besäufnis auffordert, verkörpern in überzeugender Weise das Berliner Eckensteher-Trinkertum. Ähnlich bezaubernd: der Olympia-Smiley mit seinem Kopfschuss-Nolympia-Gegenbild.

War der Fernsehturm noch ein fast ausschließliches Ostberliner Symbol, das auch nach dem Mauerfall gerne mit der DDR-Moderne kokettierte, so wird der Bär während der Teilung von beiden Seiten in Stellung gebracht: das Bezirksamt Neukölln etwa plakatiert ihn 1948, wie er erschöpft auf dem Boden sitzt und ein „Arbeit, Freiheit, Brot und Lohn nur durch Westberliner Produktion“-Plakat im Arm hat. Im Ostteil steigt er ein Jahr später über einen Trümmerhaufen, um „Ein Jahr Aufbau“ zu feiern.

Die besten Tage als Symbol scheint der Berliner Bär im Unterschied zum Fernsehturm allerdings hinter sich zu haben. Von dem Gummibären-Umriss als Vorschlag für eine neue Berliner Fahne abgesehen, sind alle Versuche, ihn der Nachwende-Moderne anzupassen, an seiner putzigen Renitenz gescheitert.

TOBIAS RAPP