Tanzen auf der Flanke

Prunksters (20) – die wöchentliche Kolumne aus den USA von Henning Kober. Heute: Eine Kerze für Hunter

Rasender Regen seit Tagen, Thunderstorm. In den Hills rutschen hübsche Häuser. Auf der Straße ist ein Cayenne Porsche gegen eine Palme geknallt. Rettungslichter flackern rot. Ein Helikopter hält sich mühsam im Sturm. Blitze leuchten in den nie dunklen Himmel über Los Angeles. Donner vibriert die Glastüre zum Balkon. Erst jetzt deutlich: Meine gemietete Wohnung ist weiß in allem, Boden, Decke, Wände, kaum Möbel, ein Fernseher. VH1 verschwindet, das Bild wird schwarz. Ein roter Streifen warnt vor der Flut: „Schalten Sie um zu Ihrer lokalen Station.“

Im Nachbar-Appartement drehen sie einen „Adult“-Film. Die Damen auf dem Gang haben Brüste groß wie Ballone. Durch die Klimaanlage duftet es nach frisch gerauchtem Marihuana. Bereiteter Boden für Stimmungswanken. Aber da ist Besuch. Aus Reno rangeflogen: Mein Freund Jake, mit dem ich vor eineinhalb Jahren beim Burning Man Festival im Thunderdome hing. 21 jetzt, die Haare nun lang gewachsen, nach wie vor strahlend starke Sinndroge.

Jake spricht seine eigene Sprache, die Wörter gedoppelt und gedehnt. Den Job im Casino hat er gekündigt. Baut jetzt Häuser mit seinem Vater, kurz: JR. Bald wird er Schauspieler. Sonst, wie war, geht es? „Tanzen auf der Flanke.“ Wir hören Falco und zünden eine Kerze für Hunter S. Thompson an. Schauen ein bisschen in die Doku „Breakfast with Hunter“. Im Bild ein älterer, aufgedrehten Mann im Hawai-Hemd, der vom Establishment der Literatur als Held devot durchs Land gefeiert wird. Er flucht mit rauem Rachen. Feuert mit einem Löscher weißen Schaum auf die Sekretärin der Rolling Stone-Chefredaktion. Das Selbst verborgen hinter seiner pinken Sonnenbrille. Am Set zu „Fear and Loathing in Las Vegas“ behandelt ihn der Regisseur wie einen schlechten Statisten. Eine Wahrheit über gute Texte, von Hunter grandios gepflegt: Der letzte Satz wie der erste ein Knaller. Und, im Text wie Leben, mächtiger und wahrer als alles andere.

Jake feuert die Laser-Gun. „Fire“. Wir bestellen einen Fahrer. Der hört Elvis Costello. Gleiten im schwarzen Lincoln runter zum Santa Monica Boulevard. Im Parlour Club rotes Licht. Dichtes Drängen, alle in feiner Kleidung, Hut, Spitze, Goldknauf-Gehstock. Vaginal Davis lädt zum „Weimar Berlin“. Tatsächlich sehr „Cabaret“, mehr als in Berlin je gesehen. An die Wand gestrahlt rhythmische Paare aus den Dreißigern in Schwarz und Weiß. Dann in Farbe Popeye. Mädchen tanzen in Bananen-Kostümen. Wir hüpfen. Happy Endings für heute.