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: Beelzebub und der Sündenfall

Die Bundesliga blamiert sich auf europäischer Ebene, Ex-Schiedsrichter Hoyzer verlässt den Knast und der DFB spielt weiter königlich-bayrisches Amtsgericht

„Es boomt, die Stadien sind voll, in Europa gibt es Erfolge – es ist generell eine Aufbruchstimmung da. So kann es weitergehen.“ Gerademal zehn Wochen ist es her, dass Jürgen Klinsmann diesen fröhlich-optimistischen Satz sagte. Jetzt sollte sich der Bundestrainer nicht wundern, wenn es im nächsten Länderspiel am 26. März in Slowenien eine fürchterliche Klatsche setzt.

Dem aktuellen Trend im deutschen Fußball würde das bloß die Krone aufsetzen. Nachdem das Überstehen der Europacup-Vorrunden im Dezember als Meilenstein neuer teutonischer Fußballgröße gefeiert worden war, konnte nun bloß noch Bayern mithalten. Die einstmals besten Schiedsrichter der Welt sind auf Normalgröße zurechtgehoyzert, Mayer-Vorfelder klebt am Stuhl, und die Imagekampagne „FC Deutschland 06“ baut unter dem Motto „Land der Ideen“ Potemkin’sche Dörfer aus Styropor. Gut, dass niemand „Land des Fußballs“ vorgeschlagen hat.

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) ist unterdessen dabei, seine Rest-Reputation mit absurden Sportgerichtsverhandlungen zu verspielen. Gestern wurde über das vom korrupten Schiedsrichter Robert Hoyzer geleitete Regionalliga-Spiel St. Pauli gegen Osnabrück befunden, nachdem Uerdingen, Essen, Unterhaching und Nürnberg ihre Einsprüche gegen Hoyzer-Partien zurückgezogen hatten, weil ihnen der DFB Aussichtslosigkeit signalisierte. Einziges Kriterium des Verbandes sind die Enthüllungen von Hoyzer, der gestern in Berlin aus der Untersuchungshaft entlassen wurde, nachdem er seine Aussagen präzisiert sowie versprochen hatte, nicht mehr im Fernsehen aufzutreten. Wo Hoyzer Manipulation gestanden hat, kann wiederholt werden, wo nicht, wird abgeschmettert. Rechtsfindung also, die auf der Basis dessen stattfindet, was die Staatsanwaltschaft dem DFB über die Ermittlungen bisher mitzuteilen beliebte. Kein Wunder, dass St. Pauli seinen Einspruch nicht zurückziehen wollte, obwohl Hoyzer behauptet hat, dieses Spiel sei regulär gelaufen. Ausgerechnet Beelzebub persönlich zum Kronzeugen des Sündenfalls auszurufen, ist komplett absurd. Welche Spiele Hoyzer manipuliert hat, welche nicht, wird sich nie klären lassen.

Die einzige moralisch einwandfreie Lösung des Dilemmas nach Aufdeckung des Wettskandals wäre gewesen, sämtliche von Hoyzer geleiteten Partien dieser Saison inklusive Pokal zu wiederholen. Das hätte jedoch das Einverständnis aller Beteiligten vorausgesetzt. Ehrensache, sollte man meinen, doch die sportlichen Profiteure der Hoyzer-Spiele sträuben sich mit allen Mitteln, auch juristischen, gegen das, was eigentlich selbstverständlich sein sollte. Dem DFB fehlt offenkundig jede moralische Autorität, aber auch jedes Machtmittel, um den Egoismen der Klubs etwas entgegensetzen zu können. Längst ist der Verband mit seinen althergebrachten, von Ehrenamt und Amateurismus geprägten Strukturen den Anforderungen des Profifußballs nicht mehr gewachsen. Zumindest die Bereiche Disziplinar- und Schiedsrichterwesen sollten daher schnellstens an die Deutsche Fußball-Liga (DFL) abgegeben werden. MATTI LIESKE