Herrscht in Afghanistan Krieg?

„Es gibt kein adäquates Wort für die Lage in Afghanistan“

BERLIN taz | In Deutschland wird weiter darüber gestritten, ob die Bundeswehr in Afghanistan in einen Krieg verwickelt ist. „Das Wort Krieg wird der Situation dort nicht gerecht“, sagt der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Rainer Arnold. „In der Nähe von Kundus haben wir kriegsähnliche Szenarien, während woanders die Aufbauhilfe weiterläuft.“ Demgegenüber sagt Wilfried Stolze vom Deutschen Bundeswehrverband: „Unsere Soldaten befinden sich nach eigenem Empfinden im Krieg.“

Winfried Nachtwei, Verteidigungsexperte der Grünen, sagt: „Es gibt kein adäquates Wort für die Lage in Afghanistan – ‚Friedenseinsatz‘ verharmlost die Situation und das pauschalisierende ‚Krieg‘ wird der heterogenen Situation im Land nicht gerecht.“ Es gebe Regionen mit kriegsähnlichen Szenarien, in anderen sei es ruhig oder es gebe sogar einen gewissen Boom.

Die große Koalition und das Verteidigungsministerium nehmen das Wort Krieg aus mehreren Gründen nicht in den Mund: Das Wort Krieg ist in Deutschland mit den Bombenteppichen und Panzerschlachten der beiden Weltkriege verbunden. Derartige Assoziationen mit dem Afghanistan-Einsatz will man unbedingt vermeiden. „Außerdem wird das Wort insbesondere von zwei Gruppen aus äußerst fragwürdigen Gründen instrumentalisiert“, sagt SPD-Mann Arnold. „Da ist zum einen die Linke, welche daraus Kapital bei den Wahlen schlagen will, und da sind jene, die einen Heldenkult um die Armee aufbauen wollen.“

Mit der Diskussion über den Terminus „Krieg“ ist unmittelbar die Frage nach Ausstattung und Strategie der Bundeswehr verwoben. „Die Ausrüstung ist derzeit nicht optimal. Wir haben genügend kleinere gepanzerte Fahrzeuge, von denen unsere Soldaten im Gefecht aber absitzen müssen und dann sehr ungeschützt sind“, sagt Stolze vom Bundeswehrverband. „Weil es aber immer mehr militärisch geplante Gefechte gibt, in welche die Taliban die Bundeswehr verwickeln, brauchen wir dort auch Panzerhaubitzen und Kettenpanzer wie den ‚Marder‘.“ Allein die psychologische Wirkung solchen Geräts würde dafür sorgen, dass die Soldaten besser geschützt seien.

Worin sich viele Experten einig sind, ist das Fehlen von Kampfhubschraubern, welche Bundeswehrsoldaten im Gefecht schnell unterstützen könnten. Bisher stehen neun Maschinen des neuen „Tiger“ beim Rüstungskonzern EADS bereit, allerdings mit technischen Problemen am Kabelbaum. Die Prüfer des Militärs haben sie bisher nicht freigegeben. Am Freitag soll sich ein Staatssekretär des Verteidigungsministeriums deshalb mit Vertretern von EADS und Streitkräften treffen. DAS