„Das ist kein Pranger“

AGRARSUBVENTIONEN Bayern will Bauern, die Zuschüsse bekommen, nicht im Netz outen, obwohl die EU es vorschreibt. Datenschützer Peter Schaar hält die Weigerung für falsch

■ ist seit 2003 Bundesbeauftragter für den Datenschutz und seit 2006 auch für die Informationsfreiheit. Der diplomierte Volkswirt wurde im Jahr 1954 in Berlin geboren.

INTERVIEW CHRISTIAN RATH

taz: Herr Schaar, das Bundesland Bayern weigert sich, die Empfänger von Agrarsubventionen zu veröffentlichen, und beruft sich dabei auf den Datenschutz. Die EU-Kommission hat deshalb jetzt ein Verfahren gegen Deutschland eingeleitet. Warum helfen Sie den Bayern nicht, Herr Schaar?

Peter Schaar: Was sollte ich tun? Die Pflicht zur Veröffentlichungs beruht auf einer eindeutigen EU-Verordnung. Jeder, der Subventionen beantragt hat, wusste, dass die Auszahlung später im Internet veröffentlicht wird.

Es gibt Gerichte, die die EU-Verordnung für unverhältnismäßig halten, es seien Grundrechte verletzt. Sehen Sie das anders?

Ja. Es geht hier schließlich um die Verwendung öffentlicher Gelder. Da halte ich Transparenz grundsätzlich für angemessen. Die Öffentlichkeit hat ein Recht zu wissen, was mit ihrem Geld passiert, ob es an existenzbedrohte Bauern geht oder an Konzerne und Großgrundbesitzer.

Muss man dazu die einzelnen Bauern mit ihrem Namen und Wohnort ins Internet stellen? Ist das nicht ein moderner Pranger?

Nein, das ist kein Pranger. Mit der Veröffentlichung ist ja keinerlei Vorwurf verbunden.

Aber die Bauern haben Angst vor Neidern. Schließlich bekommt nicht jeder Selbständige öffentliche Zuschüsse.

Soll die EU auf Transparenz verzichten, nur um vereinzelt auftauchende Neidgefühle zu vermeiden? Wer aus öffentlichen Kassen viel Geld erhält, muss so etwas aushalten können. Für die Bezieher kleiner Summen hatte ich im Vorfeld allerdings eine Bagatellklausel vorgeschlagen.

Wie hätte die ausgesehen?

Wenn ein Bauer nicht mehr Geld erhält als ein Hartz-IV-Empfänger, dann hätte sein Name nicht veröffentlicht werden müssen. Ich bin schließlich auch dagegen, die Namen aller Hartz-IV-Empfänger ins Internet zu stellen. Leider haben die EU-Gremien die Idee einer Bagatellklausel nicht aufgegriffen, sodass die Transparenzpflicht nun für alle gilt.

In Schweden wird im Internet sogar veröffentlicht, wer wie viele Steuern zahlt. Wäre das auch bei uns möglich?

Was die EU will: Die Europäische Union zahlt pro Jahr mehr als 40 Milliarden Euro für die Landwirtschaft. Damit klarer wird, was mit dem Geld passiert, beschlossen die Mitgliedstaaten, die Namen der Subventionsempfänger und die einzelnen Beträge zu veröffentlichen. Bis 30. April sollten die letzten Daten im Internet stehen.

Wie Deutschland reagierte: Die Bundesregierung verzögerte zunächst, gab aber schließlich nach. Seit Mitte Juni sind die Daten aus allen Bundesländern außer Bayern im Netz abrufbar.

Was Deutschland nun droht: Wegen der Weigerung des Freistaats leitete die EU-Kommission ein Verfahren gegen die Bundesregierung als Vertreter Deutschlands in Brüssel ein. Das Vertragsverletzungsverfahren kann zu einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof führen und hohe Strafen nach sich ziehen. JMA

Ich kann mir nicht vorstellen, dass es dafür bei uns eine Mehrheit gibt. Bei uns gilt ja immer noch das Steuergeheimnis, der Staat muss die Steuerdaten seiner Bürger vor den neugierigen Blicken Dritter schützen. Aber auch solche Traditionen können sich langsam wandeln. Heute werden ja auch die Bezüge von Unternehmensvorständen veröffentlicht, was früher undenkbar war.

Wären Sie bereit, auch Ihr eigenes Gehalt zu veröffentlichen?

Warum nicht, ich habe ja ein öffentliches Amt.

Und wie viel Geld verdienen Sie?

Zwischen neun- und zehntausend Euro brutto pro Monat. Genaueres müsste ich selbst nachschauen. Es ist jedenfalls die Gehaltsstufe B 9 plus Ministerialzulage. Die Bild-Zeitung hat das übrigens auch schon mal veröffentlicht.