Fischer nicht mehr so gewichtig

Der Außenminister rutscht in der Beliebtheit aller Politiker hinter Christian Wulff auf Platz zwei ab. Grüne nur noch einstellig. Knappe Mehrheit sieht persönliche Schuld Fischers in der Visa-Affäre

BERLIN taz ■ Joschka Fischer hat abgenommen. Bei der Frage des ZDF-Politbarometers nach den wichtigsten Politikern stand der Außenminister im Januar noch bei 1,6 Pluspunkten (auf einer Skala von +5 bis –5) und unangefochten auf Platz eins. In der Februar-Umfrage jedoch haben ihn die BürgerInnen auf nur noch 0,8 Punkte in der Beliebtheitsskala heruntergestuft. Damit hat Fischer den Platz an der Sonne nach mehr als drei Jahren abgeben müssen. Neuer Spitzenmann: Christian Wulff (CDU), Ministerpräsident Niedersachsens.

Ursache für das plötzliche Schrumpfen der Fischer-Werte sind nach Auskunft von Andrea Wolf von der Forschungsgruppe Wahlen die ungeklärten Vorwürfe in der Visa-Affäre. Besonders schmerzhaft für den bisherigen Darling der Deutschen: 42 Prozent der Befragten sehen bei Fischer eine persönliche Schuld an dem Missbrauch rot-grüner Einreiseerleichterungen in den Jahren 2000 bis 2002. Immerhin 41 Prozent halten den heimlichen Vorsitzenden der Grünen dagegen persönlich für unschuldig. Neun von zehn Deutschen ist laut Forschungsgruppe die Visa-Affäre bekannt.

Auch auf das Wahlverhalten scheint die Visa-Affäre nun durchzuschlagen. Die Forschungsgruppe Wahlen ermittelte bei der Frage, welche Partei man bevorzugen würde, wenn am nächsten Sonntag Wahlen stattfänden, einen Rückgang des Stimmenanteils für die Grünen um 1 Prozentpunkt auf 9 Prozent. Dagegen gewänne die Union 1 Punkt auf 41 hinzu. SPD, FDP und PDS blieben unverändert bei 32,7 und 5 Prozent. Nach einer ARD-Umfrage liegen die Grünen unverändert bei 11 Prozent.

Beim Absturz Fischers, der in der Beliebtheitsskala zeitweise Traumwerte von 2,4 Pluspunkten erreicht hatte, gibt es nur wenige Vorbilder. Eines davon: in der Spendenaffäre der Abstieg Helmut Kohls, des Aussitzers.

Trotzdem änderte der Außenminister seine bisherige Verteidigungsstrategie nicht. Bisher hat Fischer sich nur einmal auf einem Gehsteig zu den Vorwürfen geäußert. Am Donnerstag versprach er „ein paar deutliche Worte“ für die nächsten Tage. Gestern bat sein Sprecher, man müsse abwarten, ob sich der Bundesminister des Auswärtigen erklären werde. „Ich weiß es nicht, ich schließe es aber auch nicht aus.“

Nach Auskunft des NRW-Sprechers der Grünen wird Fischer heute auf dem Landesparteitag in Köln die Visa-Affäre ansprechen. „Er wird kämpferisch darlegen, wie er die aktuelle Lage sieht – inhaltlich und auch politisch, was die Debatte um seine Person angeht“, versprach Michael Ortmanns. Im Mai finden in Nordrhein-Westfalen Landtagswahlen statt, und Grüne wie SPD fürchten ein Durchschlagen der Visa-Affäre auf das Ergebnis.

CHRISTIAN FÜLLER

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