: Die schwarze Charmeoffensive
Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU), die sonst gerne das Ende des Füllhorns predigt, präsentiert den Hamburger Familienpass. Für 3,50 Euro können Eltern und Kinder 200 Freizeitangebote vergünstigt oder kostenlos wahrnehmen
Von Markus Jox
Nach einem Jahr CDU-Alleinregierung räumte Regierungschef Ole von Beust in der vergangenen Woche ein, dass man den Hamburgern bislang viel zugemutet habe. Zeitgleich forderte seine Sozialsenatorin, bislang nicht gerade als Mutter Theresa bekannt, in einem Interview eine offensivere Familienpolitik ihrer Partei und proklamierte, dass „bei den Einsparungen für die Familien das Ende der Fahnenstange erreicht“ sei. Zum Höhepunkt dieser gewiss im Senat abgestimmten schwarzen Charmeoffensive stellte Birgit Schnieber-Jastram, die sich sonst gerne damit zitieren lässt, dass die Zeiten des sozialpolitischen Füllhorns vorbei seien, gestern in den Zeise-Kinos zu Ottensen den „Hamburger Familienpass“ vor.
Dieser Pass liegt einem voluminösen Magazin bei, das in einer Auflage von 40.000 Exemplaren gedruckt wurde, für 3,50 Euro in den Filialen von Budnikowsky und der Buchhandlung Heymann sowie in den Hamburger Öffentlichen Bücherhallen käuflich zu erwerben ist und ab April ein halbes Jahr gilt. Eine Neuauflage soll im September auf den Markt kommen. Familien aus Hamburg, aber auch aus dem Umland können mit der Karte rund 200 Angebote aus den Bereichen Freizeit, Kunst, Kultur und Sport vergünstigt oder kostenlos wahrnehmen. Nutzen können den Pass sowohl Eltern mit ihren Kindern als auch Großeltern mit Enkeln – Bedingung ist, dass ein Eltern- oder Großelternteil und ein Kind unter 18 Jahren gemeinsam an einer Veranstaltung teilnehmen.
Unter den Angeboten ist die kostenlose Jahres-Familienmitgliedschaft im Landesverband Nordmark des Deutschen Jugendherbergswerks. Bei den Norddeutschen Apfeltagen sind Eltern mit einem Euro Eintritt dabei, auf dem Indoor-Spielplatz gibt‘s zehn Prozent Rabatt auf die Tageskarte, und der Kursus „Selbstverteidigung für Mädchen“ kostet mit Pass 42 statt 45 Euro. Führungen durch die NDR-Fernsehstudios sind gar kostenlos. Finanziert werden soll der als „Public-Private-Partnership“ konzipierte Pass künftig allein durch Verkaufs- und Anzeigenerlöse sowie Sponsorengelder – derzeit gibt es noch eine Anschubfinanzierung der Behörde.
„So etwas hat es in Hamburg bisher nicht gegeben“, frohlockte die Senatorin, die in dem Pass selbstredend „einen Baustein auf dem Weg zu einer familiengerechten Metropole“ erkennen wollte. Der Ausweis helfe, „das Budget von Familien bei gemeinsamen Freizeitaktivitäten zu entlasten“. Bekanntlich sei es ja „ein kostspieliges Vergnügen, wenn man mit Kindern unterwegs ist“.
Kaum hatten die Senatorin, eine Repräsentantin der Handelskammer und Vertreter diverser „Premiumpartner“ aus der Wirtschaft ihre Grußworte gesprochen, stürmte eine Musterfamilie aus Langenhorn die Bühne: Vater, Mutter und vier blonde Kinder posierten vor TV-Kameras, um von Schnieber-Jastram den ersten Familienpass überreicht zu bekommen. „Los, jetzt wird sich gefreut“, sagte die Mutter. „Geht ihr jetzt auch gleich ins Kino?“, fragte die Senatorin die Kinder, wobei sie nicht diese, sondern die Fotografen anstrahlte. Der Film, der zur Feier des Tages gezeigt wurde, trug übrigens den Titel: „Der Mistkerl“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen