Der Sieger von Kiel steht noch nicht fest

Von der CDU fühlten sich die Deutsch-Dänen in gemeinsamen Gesprächen nicht ernst genommen. Trotz Morddrohung an Anke Spoorendonk will ihr Südschleswigscher Wählerverband mit SPD und Grünen in Kiel über eine Tolerierung verhandeln

AUS KIEL ESTHER GEISSLINGER

Es gab eine Morddrohung und jede Menge böse Worte – dennoch wird der SSW in dieser Woche mit der SPD und den Grünen über konkrete Fragen einer Minderheitsregierung in Schleswig-Holstein sprechen. Das beschloss am Freitag ein „Kleiner Parteitag“ in Flensburg.

Auch mit der CDU hatten sich die SSW-Politiker unter Spitzenkandidatin Anke Spoorendonk getroffen. Bei den Gesprächen hätten sich aber „unvereinbare Auffassungen“ ergeben, teilte CDU-Spitzenkandidat Peter Harry Carstensen mit. „Auch eine wie auch immer geartete Tolerierung kann nicht im Sinne von Schleswig-Holstein sein“, sagte er weiter.

Der SSW dagegen fühlte sich in den Gesprächen nicht gewürdigt: „Die CDU hat zu wenig Bereitschaft gezeigt, uns als gleichberechtigten Partner zu akzeptieren“, sagte Spoorendonk. Sie warnte aber gleichzeitig die SPD und die Grünen, zu siegessicher zu sein: „In den letzten Tagen wurde teilweise der Eindruck vermittelt, der SSW sei schon ‚in der Tasche‘. Wir werden aber mit klaren Forderungen in die Verhandlungen gehen. Wer diese Bedingungen nicht erfüllt, kann nicht mit der Zustimmung des SSW rechnen.“ Zu den Kernforderungen gehört, dass in Schleswig-Holstein die Gemeinschaftsschule eingeführt wird – zum Entsetzen der CDU.

Im Streit um Kiel mischen die Bundesspitzen der Parteien weiter mit: CDU-Chefin Angela Merkel fand es „etwas komisch“, dass die Minderheit die Politik des ganzen Landes bestimmen könnte. Hessens CDU-Ministerpräsident Roland Koch drohte mit einer Debatte über den Status des SSW, der von der Fünfprozentklausel befreit ist. Er forderte, die Partei solle sich „neutral“ verhalten. Kanzler Gerhard Schröder konterte: „Dass die CDU den SSW zu erpressen versucht, ist ein reichlich merkwürdiger Stil.“ Ex-Grünen-Chefin Angelika Beer beschuldigte die CDU, mit ihrer „deutschtümmelnden Kampagne“ Schuld an der Morddrohung zu sein, die Spoorendonk erhalten hatte.

Carstensen forderte, Beer solle sich entschuldigen: „Einen solch absurden Vorwurf kann nur jemand machen, der vorher zu tief ins Glas geschaut hat.“ Das hatten offenbar schon vorher Angehörige der Kölner CDU: Ihr Wahlkampfleiter Stephan Krüger hatte per Rund-Mail rund 300 JU-Mitglieder aufgefordert, „Ballastpakete“ an den SSW zu schicken, „um klar zu machen, dass eine rot-grüne Minderheitsregierung das Land lahm legen würde“. Die Aktion wurde schnell gestoppt.