Krabbelgruppe auf Sendung

Ein Jahr RBB-Fernsehen: „Das Kleinkind lernt laufen“, sagt Intendantin Reim. Doch das Programm bleibt weiter umstritten – und auch die Finanz- und Personalprobleme sind bislang nicht gelöst

VON HANNAH PILARCZYK

Vernichtende Kritiken und Quoten zum Start des gemeinsamen Fernsehens, ernste Konflikte mit den Mitarbeitern, neue Löcher im Budget – 2004 war für den RBB ein äußerst schwieriges Jahr. Und dass 2005 leichter wird, ist auch eher unwahrscheinlich. Intendantin Dagmar Reim gibt sich dennoch zuversichtlich: „Unser Einjähriges lernt jetzt laufen.“ Wenn man sich die Probleme des RBB anschaut, muss man festhalten: Es wurde auch höchste Zeit, dass die Dinge in Gang kommen.

Drei Baustellen taten sich zum Sendestart des einheitlichen RBB-Fernsehens am 29. Februar 2004 auf: die Etablierung der neu geschaffenen Fernsehformate, die Zusammenführung der Belegschaften an den Standorten Berlin und Potsdam zu einem Team sowie die künftige Finanzierung der Anstalt. Anfangs stand noch die Werbung in eigener Programmsache als dringlichste Aufgabe an. Ganze zwölf neue Formate mussten die Zuschauer in Berlin und Brandenburg erreichen und überzeugen. Das gelang nur teilweise (siehe unten). Doch bevor die Arbeit am Unvollendeten weitergehen konnte, drängte sich ein anderes Problem auf: das zum RBB gar nicht so liebe Geld.

Wie alle ARD-Anstalten hatte der RBB damit gerechnet, dass die Rundfunkgebühren im folgenden Jahr um 1,09 Euro steigen würden. Als sich die Ministerpräsidenten am 8. Oktober 2004 aber auf 21 Cent weniger einigten, war das Entsetzen in Berlin und Brandenburg noch ein wenig größer als ins Mainz oder München. 17 Millionen Euro Minus bedeutete die geringere Erhöhung für den RBB-Etat – viel Geld, das nicht für Zukunfts-, sondern für Vergangenheitsinvestitionen verplant war.

Noch immer lastet nämlich auf dem RBB eine Pensionsregelung aus SFB-Zeiten, die den Beschäftigten rund 90 Prozent ihres letzten Nettogehalts als Pension zusichert und kurz nach der Wiedervereinigung gekündigt wurde. Die Verpflichtungen des RBB für seine Ehemaligen wachsen stetig weiter: Da er das Netto-Rentenniveau garantiert hat, muss der Sender auch für zusätzliche Kosten wie gestiegene Krankenkassenbeiträge aufkommen. Ein buchstäbliches Fass ohne Boden: Mit rund 40 Millionen Euro gibt der RBB schon jetzt so viel Geld für die Altersversorgung aus wie für sein gesamtes Hörfunkprogramm. Darüber hinaus muss die jüngste ARD-Anstalt aber auch noch den Beleg für ihre eigene Daseinsberechtigung liefern: das Sparpotenzial der Senderfusion. Nochmals 18 Millionen Euro muss der RBB durch Maßnahmen wie den Abbau von Doppelstrukturen einsparen – macht insgesamt 35 Millionen zu streichende Euro bis 2009. „Ein dicker Brocken“, ächzte sogar Dagmar Reim.

Doch der dickste Brocken kam erst noch, genauer gesagt im November. „Die Königin Mutter des RBB“ war auf den Flyern zu lesen, die im Spätherbst durch den Sender flatterten. Über dem fragwürdigen Titel das Bild von Dagmar Reim, darunter eine bitterböse Parodie auf ihre umstrittene Dienstanweisung. Mit dieser Dienstanweisung sollte die Beschäftigung freier Mitarbeiter neu – und das hieß meistens: restriktiv – geregelt werden. Der Protest dagegen war heftig, die Reaktion der Geschäftsleitung allerdings auch.

Nach dem Vertrag von Nachrichtenredakteur Jürgen Schäfer wurde im Spätherbst auch der von „Abendschau“-Moderator Jan Lerch nicht verlängert. Beide hatten sich in der Freien-Vertretung „RBBpro“ engagiert, beide standen der Personalpolitik des Senders sehr kritisch gegenüber. War das Verhältnis zwischen Belegschaft und Intendanz schon vorher gespannt, wurde es mit der De-facto-Entlassung von Lerch endgültig überreizt. Öffentlichkeitswirksam übten die RBB-Mitarbeiter Druck auf die Intendanz aus – nach einigem Hin und Her sogar mit Erfolg.

Seit Dezember setzen sich Vertreter aus Geschäftsleitung, Gewerkschaft und Belegschaft zum „Dialog im RBB“ zusammen. „Der Umgangston ist ziviler geworden“, bewerten manche die ersten Gespräche. Das sehen nicht alle so. Ende Januar sagte Dagmar Reim noch in einem Interview mit dem Tagesspiegel, sie habe erkennen müssen, dass Verabredungen darüber, was im zwischenmenschlichen Umgang möglich sei und was nicht, „im RBB, am Standort Berlin“, nicht selbstverständlich seien. „Ein klarer Versuch, die Belegschaft zwischen Berlin und Brandenburg zu spalten“, heißt es aus dem Umfeld der Achterrunde. Wie zutreffend diese Einschätzung auch sein mag: Ein Zeichen dafür, dass sich der Sturm im Sender gelegt hat, ist es nicht. Wenigstens im Fall Jürgen Schäfer gibt es positive Signale: Der Radioredakteur soll wohl doch weiterbeschäftigt werden. Das war jedenfalls nach einer Redakteursversammlung gestern Abend zu vernehmen.

Dennoch: Der RBB im Jahr 2005, das sind noch immer die drei offenen Baustellen Programm, Finanzen und innerer Frieden. Obwohl sich viel getan hat, hat sich nicht viel getan.