KOMMENTAR VON BAHMAN NIRUMAND
: Alles offen in Teheran

Maschinengewehre und Schlägertrupps können die Wut nicht vertreiben

Auf den Straßen Irans herrscht relative Ruhe. Waren also die Demonstrationen nur eine Episode? Können die Medien das Thema jetzt getrost zu den Akten legen? Sicher, es ist den Gottesmännern gelungen, durch ein massives Aufgebot an Gewalt Millionen, die ihre bürgerlichen Rechte einforderten, von den Straßen zu vertreiben. Aber die Wut, die diese Menschen im Bauch haben, kann von Maschinengewehren und Schlägertrupps nicht vertrieben werden. Im Gegenteil, die eingesetzte Gewalt wird die Bewegung radikalisieren.

Doch dieser mangelt es an einer Führung. Mussawi, der unterlegene Kandidat, forderte zwar bürgerliche Freiheiten und grundlegende Reformen, fraglich ist aber, ob er dazu bereit wäre, die Konsequenzen aus diesen Forderungen zu tragen, die den Rahmen des Systems sprengen würden. Als ehemaliger Ministerpräsident und Zögling Ajatollah Chomeinis gehörte er zu den tragenden Säulen des Systems und ist nach wie vor an dessen Erhalt interessiert. Erstaunlich, dass er bis heute nicht klein beigegeben hat. Die von den Straßen Vertriebenen warten nun auf seine Anweisung. Aber er ist isoliert, die Machthaber üben enormen Druck auf ihn aus. Mag sein, dass er sich letztendlich auf Scheinlösungen einlässt. Gut möglich aber ist auch, dass er der für ihn lebensbedrohlichen Gefahr trotzt und den Aufständischen weiterhin die Treue hält.

Nicht minder schwer als Mussawi haben es die Machthaber. Sie müssen versuchen, eine Bevölkerung, die gegen sie aufbegehrt, mit purer Gewalt im Zaum zu halten. Das ist für einen Staat, der sich auf den Islam beruft und den Anspruch erhebt, die islamische Gemeinde zu vertreten, höchst problematisch. Zudem müssen sie den zerrütteten Staatsapparat zusammenhalten und die sich feindlich gegenüberstehenden Fronten im Establishment versöhnen. Ob das alles gelingt, ist höchst fraglich, zumal der Regierung mächtige und einflussreiche Männer wie Rafsandschani und Chatami gegenüberstehen, die ebenfalls die Macht beanspruchen.

Ebenso unklar ist, ob die gegenwärtigen Machthaber überhaupt eine aktive Außenpolitik betreiben können. Es ist schwer vorstellbar, dass eine Regierung, die sich durch Betrug an der Macht hält, im Ausland Verhandlungspartner findet. Nein, das letzte Wort über den Iran ist längst nicht gesprochen, man sollte nicht voreilig die Akten schließen.