Jugendliche versuchen es mit Optimismus

Ministerin Schäfer findet in ihrem neuen Jahresbericht lauter leistungsbereite, materiell gut ausgestattete Jugendliche vor. Über steigende Armut, neue Arbeitslosigkeitsrekorde bei Menschen unter 25 Jahren will sie nicht sprechen

DÜSSELDORF taz ■ Kinder- und Jugendministerin Ute Schäfer (SPD) singt ein Loblied auf ihre Schäfchen: „Zielorientiert und weitgehend optimistisch schauen Kinder und Jugendliche in die Zukunft“, sagte sie gestern bei der Vorstellung des neuen Kinder- und Jugendberichts der Landesregierung in Düsseldorf. Es ließe sich eine Kehrtwende von den eher pessimistischen Jugendstudien der 90er-Jahre erkennen, so die Ministerin. Jüngste Forschungen wie die NRW-Jugendstudie „Null Zoff und voll Busy“ zeigten, wie der Wille zur Leistungsbereitschaft wachse. „91 Prozent der Jugendlichen halten einen guten Schulabschluss für ihre berufliche Zukunft für wichtig.“

Was Schäfer als Leistungsbereitschaft bezeichnet, könnte angesichts der hohen Jugendarbeitslosigkeit auch als Überlebenskampf gesehen werden: Ende Februar waren in Nordrhein-Westfalen fast 130.000 Jugendliche bis 25 Jahre auf Arbeitssuche.

Die meisten Kinder und Jugendlichen seien materiell jedoch gut ausgestattet, so die Ministerin. Die Mehrheit der Jugendlichen zwischen 14 und 17 Jahren erhalte ein monatliches Taschengeld „von bis zu 50 Euro“. Zwei Drittel der Jugendlichen in dieser Altersklasse hat ein Girokonto, bei den älteren Jugendlichen sind es über 90 Prozent. Dass laut Bericht aber jeder zehnte Jugendliche in die so genannte Handy-Schuldenfalle gerät, hält die Ministerin nicht für erwähnenswert.

Auch die steigende Armut unter Kindern und Jugendlichen in NRW passt nicht zur Aufbruchsstimmung, die Schäfer zu verbreiten versucht. „Die haben wir ja bereits in unserem Armutsbericht erwähnt“, wiegelt sie die Frage eines Journalisten ab. Die Zahlen sind jedoch erschreckend: Von allen SozialhilfebezieherInnen in NRW waren Ende 2003 fast 40 Prozent unter 18 Jahren. Vor allem betroffen sind Kinder aus Großfamilien und mit einem alleinerziehenden Elternteil.

Die steigende Armut bei Kindern und Jugendlichen scheint sich jedoch nicht auf ihren Hang zur Kriminalität auszuwirken: 2003 lag der Anteil der ermittelten Tatverdächtigen unter 21 Jahren erstmals seit acht Jahren wieder unter 30 Prozent. Dabei sank ihr Anteil von 2002 bis 2003 besonders bei den unter 14-Jährigen. Dafür ist die Zahl der Straftäter zwischen 18 und 21 Jahre leicht angewachsen. Doch 95 Prozent der Kinder kommen nie mit dem Gesetz in Konflikt.

Steigend sei die Zahl der Eltern, die in Erziehungsfragen „verunsichert“ sei, so Schäfer. „Immer mehr Eltern suchen Beratungsstellen auf“. Die Ministerin, die auch für Schule zuständig ist, will aber trotz Ganztagsschule die Eltern nicht von der Last der Erziehung befreien. Doch habe sie besonders erstaunt, dass 70 Prozent der Jugendlichen ihre Kinder so erziehen würden, wie sie selbst erzogen worden wären. „Stellen sie sich vor, wie viele das in unserer Generation von ihren Eltern gesagt hätten“, sagt die 50-Jährige.

Auch mit der Einstellung von Jugendlichen zu Politik befasst sich der Bericht der Landesregierung. Zwar hielten 74 Prozent die Demokratie für eine gute Staatsform (acht Prozent sind demokratiefeindlich, der Rest konnte dazu gar nichts sagen), doch wachse die Distanz zu den Parteien und anderen Organisationen. Auch für diese Tendenz hat die SPD-Genossin eine Erklärung bereit: „Jugendliche engagieren sich lieber in kurzfristigen Projekten“, sagt sie. Vielleicht habe man auch bisher in der Politik den Jugendlichen „nicht genügend Stimme verliehen“, räumt Schäfer ein. NATALIE WIESMANN