oper
: Eine Schneise für Brecht und Weill

Ein Stück, das einst polarisierte (und zum bevorzugten Hassobjekt der Nazis wurde): Ernst Kreneks „Jonny spielt auf“, uraufgeführt 1927 in Leipzig. Durch die Figur des schwarzen Musikers fühlte sich die nationale Rechte in Deutschland und Österreich düpiert. Bei den ersten Aufführungen in Wien wurde 1928 gegen die „freche jüdisch-negrische Besudelung“ der hehren Oper demonstriert. 1930 war das Werk Gegenstand einer Anfrage im Preußischen Landtag, in dem Hermann Göring den rüden Ton angab. Dass von 1933 an Kreneks „Neger“ Auftrittsverbot erhielt, verstand sich fast von selbst. Und als 1938 in Düsseldorf zur Ausstellung „Entartete Musik“ mobilisiert wurde, benutzte das Plakat die Figur des schwarzen Saxophonisten, der das Titelblatt des Klavierauszugs schmückte.

Nach dem zweiten Weltkrieg erschien „Jonny“ so „zeitbedingt“, dass nur noch gelegentlich auf ihn zurückgegriffen wurde und wird. Auch in der DDR war er stets unerwünscht geblieben. Nun hat Günter Krämer dieses Modell einer einst politisch pointierten Revue-Oper in Köln noch einmal herausgebracht und mit Hilfe der Ausstattung von Andreas Reinhardt (Bühne) und Falk Bauer (Kostüme) in eine eiskalt-schöne Kunstlandschaft transformiert. Grelle Farbtupfer im Weiß und Schwarz der transzendierten Erinnerungen.

Es schneit. Im Vordergrund ein schwarzer Flügel, übersät mit Noten und Manuskripten. Hier arbeitet, schwankend zwischen Reminiszenzen an romantisches Tönen und neuer Sachlichkeit, der Komponist Max. Krenek, von dem auch das Libretto stammt, entwarf da ein Selbstportrait – und der untersetzte Tenor Gerhard Siegel mit seinem rundlichen Gesicht unterstreicht die Anspielungen. Schönste Alpenlandschaft: Anita, jung, attraktiv und Sängerin, taucht am Horizont auf. Krämer lässt sie über einen großen schneebedeckten Abhang mit Koffer und Banjo-Kasten direkt in die Arme des notgeilen Tonsetzers sausen – Liebe auf den ersten Griff. Nina Warren intoniert scharf und zeigt ein scharfes Weibchen auf dem Sprung zur Karriere in Paris. Ein Bataillon Revue-Girls in Blau, Weiß und Rot rutscht über die verschneite Schräge herunter und hebt die schönen Beine zum Cancan.

Und Anita, begehrt jetzt vom Kaffeehausmusiker Jonny (Michael Volle), erliegt bald den Verführungskünsten des Violinvirtuosen Daniello (Miljenko Turk). Mit Hilfe des quirligen Stubenmädchens (vorzüglich: Claudia Rohrbach) klaut Jonny dessen Amati. So turbulent, wie die Bouffonerie begann, setzt sie sich quer durch Europa fort, bis ausgerechnet Max als Geigendieb verhaftet wird und Daniello unter die Räder eines Schnellzugs gerät. Krämer legt einen blitzblanken Theaterabend aufs Bühnenparkett, der von einem Kino-Finale gekrönt wird.

Die mit motorischen und Modetanz-Rhythmen aufgelockerte Musik aber bleibt matt, so redlich sich Ryusuke Numajiri am Dirigentenpult auch müht. Kreneks effektsicherer Eklektizismus wirkt wie ein Warenhauskatalog des musikalischen Alltags der 20er Jahre. Darin liegt der dokumentarische Wert von „Jonny spiel auf“: Diese Oper hat dem Neuen von Brecht und Weill eine Schneise geschlagen. Mehr nicht.

FRIEDER REININGHAUS

Jonny spiel auf, Oper Köln, 4., 6., 11., 13., 16., 19., 23., 27. März 2005, Karten unter Tel 0221/2881