ZU RECHT IST DIE REGIERUNG BUSH EMPÖRT ÜBER DIE CHINA-POLITIK DER EU
: Blauäugige Europäer

Just zu dem Zeitpunkt, da die Bush-Regierung die Beziehungen zur alten Welt neu beleben will, Zugeständnisse in der Iran-Krise ankündigt und sich insgesamt konziliant verhält, schaltet Europa auf stur. Selten wurde in Washington eine Entscheidung so einhellig verurteilt wie die Aufhebung des EU-Waffenembargos gegenüber China. Auch Demokraten, die in den vergangenen frostigen Monaten Europa die Treue hielten, sind irritiert. Die USA, die ein legitimes Interesse haben, die Machtbalance in Ostasien zwischen China, Taiwan, Japan und den beiden Koreas zu bewahren, fühlen sich in den Rücken gefallen. Eine Schutzmacht sind die Europäer in der Region schließlich nicht.

In der US-Hauptstadt versteht man weder die plötzliche Eile für diesen unilateralen Schritt, noch, dass an die Entscheidung keine Bedingungen geknüpft sind. Und schon gar nicht das Argument, dass die Handelssperre nicht mehr zeitgemäß sei. Sicher, das China von heute ist nicht mehr das von 1989. Es gibt mehr Wohlstand und Freiheiten. Doch die Lage der Menschenrechte hat sich kaum verbessert. Das Land bleibt ein unberechenbarer, undemokratischer Gigant. Ein möglicher Rüstungswettlauf in Asien ist das Letzte, was dieser Kontinent braucht.

Javier Solana, außenpolitischer Koordinator der EU, wiegelte ab und nannte den Schritt „rein symbolisch“. Doch Frankreichs Verteidigungsministerin kündigte unverblümt an, ihr Land würde auch Waffen in das Reich der Mitte verkaufen wollen. Die in Berlin und Paris gern zur Schau getragene „moralische Überlegenheit“ gegenüber den USA wird somit als Heuchelei entlarvt. Doch wo ist der Protest der Linken und Menschenrechtsgruppen? Es scheint, sie haben sich in der warmen Stube des Bush-Bashing eingerichtet. Vielleicht wird der Schritt insgeheim gar begrüßt, da man sich, wenn auch auf eine gefährliche Weise, einen Gegenpol zur Hegemonialmacht Amerika erhofft.

Es ist eine bittere Ironie: Vier Jahre lang opponierte Europa zu Recht gegen die kurzsichtige, unilaterale Außenpolitik der USA, um sich dann am Ende genauso zu verhalten. MICHAEL STRECK