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Nichts zu tun im Ruhrgebiet

Die Arbeitslosigkeit im Ruhrgebiet hat mit 17,4 Prozent einen neuen Höchststand erreicht. Verdi: „Die neoliberale Wirtschaftspolitik führt unsere Region immer tiefer in die Katastrophe“

VON ULLA JASPER

Mit ungläubigem Staunen und Ratlosigkeit reagieren Politik und Gewerkschaften auf die neuesten Negativzahlen vom Arbeitsmarkt. So waren 29,6 Prozent der Erwerbsfähigen in Alt-Gelsenkirchen und Horst im Februar arbeitslos. Auch für den Rest der Stadt sieht es düster aus: die Arbeitslosenquote liegt insgesamt bei 22,1 Prozent und wird vermutlich in den nächsten Monaten noch weiter ansteigen, teilte die Arbeitsagentur mit.

Doch damit befindet sich Gelsenkirchen in guter Gesellschaft mit anderen Ruhrgebietskommunen. Auch Dortmund und Essen verzeichneten im vergangenen Monat eine weitere Verschlechterung der Situation auf dem Arbeitsmarkt. Gegenüber Januar stieg die Zahl der Arbeitslosen in Dortmund um rund 4.100 auf 52.000 an. Damit suchen 18,9 Prozent der Erwerbsfähigen einen Job. Im gesamten Ruhrgebiet hat sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt damit seit Jahresbeginn weiter verschärft. Die Arbeitslosenquote in der Region beträgt mittlerweile 17,4 Prozent, 362.000 Menschen sind ohne Arbeit.

Der Landesvorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), Walter Haas, warnte davor, die aktuellen Zahlen als ein „neuartiges Phänomen“ zu bewerten. „Leider hat sich die Gesellschaft in der Vergangenheit mit der Aufspaltung der Arbeitslosen in Kunden der Arbeitsverwaltung und in Kunden der Sozialämter abgefunden. Dadurch verschwanden viele Arbeitslose aus dem Fokus der öffentlichen Betrachtung.“ Jetzt werde das wahre Ausmaß der Unterbeschäftigung schärfer beleuchtet.

Kritischer äußerte sich hingegen der Vorsitzende des Bezirks Emscher-Lippe Süd der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Wolfgang Gottschalk: „Die neoliberale Wirtschaftspolitik führt nicht nur unsere Region immer tiefer in die Katastrophe.“ Die Menschen in der Region wollten „von Politik und Wirtschaft endlich Taten sehen“ anstatt mit „politischen Worthülsen“ abgespeist zu werden. Er forderte die Politik auf, durch eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer sowie der Besteuerung von Spekulationsgewinnen die Staatseinnahmen zu erhöhen und wieder mehr zu investieren.

Die Forderung des nordrhein-westfälischen Arbeitsministers Harald Schartau (SPD), stärker gegen die Beschäftigung ausländischer Billigarbeiter vorzugehen, stößt bei den Gewerkschaften auf Unterstützung. Nach Gewerkschaftsangaben werden insbesondere auf Schlachthöfen und Baustellen Arbeiter aus Osteuropa zu Niedriglöhnen beschäftigt. Die Politik müsse dafür sorgen, dass stärker kontrolliert werde, ob die Arbeiter legal beschäftigt seien und ob auf den Baustellen der vereinbarte Mindestlohn eingehalten werde, erklärte Arno Haas, Geschäftsführer der Industriegewerkschaft Bauen (IG Bau). Einen gesetzlichen Mindestlohn lehnt er allerdings ab: „Das können die Gewerkschaften mit den Verbänden allein regeln“.

Ohnehin glaubt der IG Bau-Geschäftsführer nicht daran, dass eine striktere Kontrolle ausländischer Arbeiter an der Gesamtsituation auf dem Arbeitsmarkt etwas verändern würde: „Das wäre auch nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.“

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