Gebührenfreies Studium ist Träumerei

Studierende, taz-Journalisten und Wissenschaftler debattieren in Leipzig über das Bezahlstudium. Streit gab es vor allem darum, ob die Linke weiterhin Gebühren kategorisch verneinen sollte oder eigene Modelle präsentieren muss

AUS LEIPZIG NADINE BÖS

„Studierende müssen endlich ihre fundamentalistische Nein-Haltung zum Bezahlstudium aufgeben. Davon zu träumen, dass ein neuer Rudi Dutschke kommt und alles gut wird, schafft keine sozial gerechte Lösung.“ Mit provokanten Thesen heizte tageszeitung-Redakteur Christian Füller das Podium „Karl Marx, die taz, die Studis und ihre Gebühren“ an. Dort argumentierten Studierendenvertreter, Journalisten und ein Wissenschaftler für und wider das Bezahlstudium.

Die taz ist, wie Füller ausdrücklich betonte, gegen Studiengebühren. „Doch Karlsruhe hat das Gebührenverbot gekippt“, sagt Christian Füller. Da könne es hilfreich sein, über linke Studiengebühren nachzudenken, wie es die taz mit einem eigenen Mitbestimmungsmodell angeregt habe. Studiengebühren ja – unter der zwingenden Bedingung, dass die Studierenden alle Macht über sie bekommen. „Damit bekämen die Studierenden eine herausgehobene Position gegenüber Rektoren und Professoren“, so Füller. „Studierende hätten endlich echte Mitbestimmung und könnten ihre Gebühren sozial gerecht gestalten.“

„Mitbestimmung mit Geld zu erkaufen ist falsch“, sagte Nele Hirsch vom Freien Zusammenschluss der Studierendenschaften (fzs). „Internationale Vergleiche zeigen, dass die Annahmen des taz-Modells nicht realistisch sind.“ Henning Schulze aus dem Leipziger StudentInnenrat sagte: „Die politische Realität ist eine andere.“ Studentische Selbstverwaltung dürfe nicht per Bezahlstudium durchgesetzt werden. „Wir behalten unsere Ablehnung von Studiengebühren bei“, so der Studierendenvertreter. „Falls Gebühren doch Realität werden, können wir immerhin sagen, wir waren dagegen.“

Lukas Wallacher, Vorstandsmitglied der Studierendengesellschaft an der Privatuni Witten, warb für das dortige Gebührenmodell. In Witten zahlt jeder Studierende 15.000 Euro für seine gesamte Hochschulausbildung. Wer sich das nicht leisten kann, bekommt das Studium zunächst gebührenfrei und muss später acht Jahre lang acht Prozent seines Einkommens an die Uni abgeben. „Das Wittener Modell ist durchaus bundesweit übertragbar“, sagte Wallacher bei der Podiumsdiskussion. In Witten studieren jedoch nur knapp 1.200 HochschülerInnen; in manchen Fächern betreut ein Professor je zwei Studierende.

„Witten funktioniert nur, weil es so klein ist“, widersprach daher Peer Pasternack, Wissenschaftler am Institut für Hochschulforschung Halle-Wittenberg. „Studiengebühren kämen nur dann den Hochschulen zugute, wenn es gelänge, sie vor den Finanzministern geheim zu halten.“ Dennoch gebe es Möglichkeiten, die Gelder ein Stück weit gegen Zugriffe der Regierungen zu schützen: „Prinzipiell keine Personalstellen aus Studiengebühren finanzieren und niemals Kürzungen damit ausgleichen“, rät der Forscher.

Insgesamt argumentierte Pasternack für die gesamtwirtschaftlichen Vorteile eines gebührenfreien Studiums: „Die Gesellschaft hat einen riesigen Vorteil, wenn möglichst viele studieren“, sagte er. Der private Nutzen, den Studierende aus ihrer Bildung ziehen, sei schon jetzt durch hohe Lebenshaltungs- und Verwaltungskosten abgegolten. „Studieren ist auch heute alles andere als umsonst.“