Zugewanderte ohne Sprachkurse

Das Zuwanderungsgesetz will das Lernen der deutschen Sprache regeln und voranbringen. Nun bringt es einen erfahrenen Bonner Sprachkursanbieter in Gefahr

BONN taz ■ Nach 25 Jahren steht die erfolgreiche Arbeit eines Bonner Bildungsträgers vor dem Aus: „Bis Ostern führen wir die Kurse auf eigene Kosten weiter“, sagt Barbara Thums-Senft, Fachbereichsleiterin „Deutschkurse für Frauen“ im Bildungswerk für Friedensarbeit (BF). Wenn man bis dahin keine stabile Förderung erhalten, müsse man 130 „motivierte Migrantinnen“ nach Hause schicken: „Wir stehen vor dem Nichts“.

Hintergrund der drohenden Schließung ist ausgerechnet ein Gesetz, das Einwanderern die Integration erleichtern sollte: das Zuwanderungsgesetz, das seit Januar in Kraft ist. Dieses sieht zwar die Finanzierung von Sprachkursen für Neuzuwanderer vor – gleichzeitig wurden jedoch die Fördermittel für Einwanderer, die schon länger hier leben, drastisch gekürzt. „Bestandsausländer“ nennt der Verwaltungsjargon diese zahlenmäßig große Gruppe.

Dem Bonner Bildungsträger macht zu schaffen, dass seine Sprachkurse vor dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) pauschal gefördert wurden. Nun wird nur noch im Einzelfall und nach persönlichem Antrag von Migranten gefördert. Damit sind dem Bildungswerk auf einen Schlag 80 Prozent der Mittel für Kurse weggebrochen, die bislang vom Bund mitfinanziert wurden.

Besonders von dieser Neuregelung betroffen sind so genannte „zielgruppenspezifische“ Angebote, wie beispielsweise Sprachkurse für Frauen. Für diese ist es besonders schwer, auf dem freien Markt um Teilnehmerinnen zu werben und voraus zu planen, wie viel Geld ihnen künftig zur Verfügung stehen wird. Für jede Teilnehmerin erhält der Träger 2,05 Euro pro Unterrichtsstunde. Wie viele kommen, ist so lange unklar, bis die Anträge bei der BAMF-Koordinierungsstelle in Köln bearbeitet sind. „Wie sollen wir da ein verlässliches Kursprogramm anbieten?“, fragt Thums-Senft, „wir haben überhaupt keine Planungssicherheit mehr.“

Hier kommt ein weiterer Aspekt ins Spiel, der Thums-Senft nicht weniger Bauchschmerzen bereitet. Die Fachbereichsleiterin befürchtet, dass derjenige Anbieter zuerst ein Kursprogramm aufstellen kann, der am erfolgreichsten die Kosten drückt. Zum Beispiel bei den Lehrerhonoraren. Die Frage, wann der erste Ein-Euro-Jobber Sprachkurse gibt, liegt für sie auf der Hand. Denn mit dem neuen Gesetz ist die Anforderung weggefallen, den Lehrern ein festgelegtes Honorar zu zahlen. Thums-Senft befürchtet, dass Einrichtungen, die keine Dumping-Löhne zahlen wollen, auf der Strecke bleiben.

Unsicher ist auch, ob die so genannten „Bestandsausländer“ im bisherigen Umfang bereit sind, an den Kursen teilzunehmen. Da sie nach dem neuen Gesetz nur „nachrangig“ gefördert werden, müssen dafür Plätze frei sein. Dafür zahlt das BAMF 1,05 Euro Fördergeld; einen Euro müssten die Kursteilnehmer selbst bezahlen. Damit würde jeder Kurs die Teilnehmer hundert Euro kosten, vor Einführung des Gesetzes waren es dreißig Euro.

Das ist ein Betrag, den zum Beispiel die aus Marokko stammende Bouchra Aboumehraz nicht so einfach zahlen kann. Schon die Fahrten zu ihrem Kurs kosteten sie 50 Euro monatlich, sagt sie, „viel mehr an Kosten kann ich nicht tragen“. Allerdings ist in ihrem Fall noch das kleinere Problem: Aboumehraz hat einen deutschen Pass – und nach allem was man ihr bisher sagte, hat sie damit keinen Anspruch mehr auf einen Sprachkurs. „Ich brauche die Sprache ja nicht nur beim Einkaufen, sondern auch für eine Ausbildung“, sagt die 34-Jährige, „dann muss man mir doch Gelegenheit geben, sie zu lernen. Auch wegen ihrer beiden Kinder: „Bei den Schulaufgaben kann ich denen bisher nicht helfen“.

MARTIN OCHMANN