Bewegte Immobilienscouts

Vertreter politischer Initiativen besichtigen landeseigenen Leerstand. Zwar hat der Senat verkündet, Zwischennutzungen zuzulassen. Doch gute Angebote bekommen nur Investoren mit Geld

VON TOBIAS VON HEYMANN

Da steht ein öffentliches Gebäude jahrelang leer, kein Käufer oder Mieter lässt sich finden – und nun sollen sich laut Senat soziale Projekte und alternative Gruppen darum unkompliziert als Zwischennutzer beim Land bewerben können. Und sie müssen bei diesem Anti-Leerstands- Konzept nur die Betriebskosten zahlen. Das klingt fast zu schön, um richtig wahr zu sein.

Klar, dass das erfahrene Polit-Aktivisten herausfordert – schließlich sind die Hinhaltetaktiken und Manöver von Behörden und Politikern bei solchen Fragen seit Jahren bekannt. Auf einer Rundfahrt im noblen Reisebus durch Berlin steuerten daher gestern rund 25 Interessierte insgesamt 11 Gebäude an, die sich für selbst definiertes Engagement eignen könnten.

„Solche Angebote haben immer auch Häkchen und Ösen, so dass am Ende dann doch wieder nichts realisiert werden kann“, sagt Uschi Volz-Walk von der Initiative für ein soziales Zentrum zu Beginn der Stadtrundfahrt vor der Glogauer Straße 16 in Kreuzberg. „Dieses Haus steht seit der letzten Besetzung im Oktober 2003 leer, wird aber für viel Geld trotzdem beheizt“, sagt ein Sprecher des Sozialforums Berlin – und forderte, den landeseigenen Bau dem Projekt zu überlassen. Dann kleben Mitfahrende das Aktions-Plakat „Leerstand von öffentlichem Eigentum“ samt UNO-Denkmalschutzsymbol in Signalgelb an die Fassade.

Auf der weiteren Fahrt wird jedes der ausgesuchten Objekte extra geoutet. Neben Vertretern der Offenen Universität (taz vom 3. 3. 05), der Erwerbsloseninitiative Piqueteros, der Gruppe FelS, eines freien Radios und anderer Vereine war auch spontan eine Rentnerin mit zugestiegen. „Für gemeinsames Wohnen im Alter suchen wir seit einem Jahr bezahlbare Wohnungen für 34 Leute“, sagt Gudrun Haering-Hardt, die interessiert die Häuser mit besichtigt. „Wir könnten ebenfalls mit einer Zwischennutzung anfangen.“

Eine alte Schule in der Görlitzer Straße, eine Kita in der Cuvrystraße, ein Plattenbau an der Frankfurter Allee – eine Station nach der anderen rollt der Bus an, unterbrochen von kurzen Statements zu Gegenwart und Zukunft der sehr unterschiedlichen Immobilien. Am Künstlerhaus Bethanien am Mariannenplatz erfährt die Gruppe fast ungläubig Aktuelles zu den Planspielen des Bezirks: Der wolle eine Hälfte des legendären Rauch-Hauses an die „M+R Arend GmbH“ aus Bad Homburg verkaufen.

Nicht nur Land und Bezirke sitzen auf beheiztem Leerraum. Auch der Bau der Gewerkschaft ÖTV am Michaelkirchplatz böte sich für Zwischennutzungen an. „Seit zehn Jahren arbeitet hier niemand mehr außer dem Wachschutz, der Besetzungen verhindern soll“, sagt Volz-Walk. „Nicht einmal Gewerkschafter könnten hier aktiv werden.“

Das krasseste Beispiel für den realen Umgang mit Freiraum lieferte am Schluss der Tour der Bezirk Pankow mit der ehemaligen Schule in der Kastanienallee 82. „Für diese öffentliche Schule wurde erst vor wenigen Tagen ein Vertrag mit einer kommerziellen Sprachschule geschlossen, die hier auch Hotels einrichten will“, sagt Mathias Heyden vom „Forum K 82“. Dabei böte sich das Ensemble für moderne Mischnutzung an, die etwa 250 ehrenamtliche und bezahlte Arbeitsplätze schaffen könnte. Ein entsprechendes Konzept habe das Forum dem Bezirk vorgelegt. Der aber habe seinem Wunsch-Investor das 4.000-Quadratmeter-Grundstück per Erbbauvertrag überlassen. Und die fünf Häuser auf dem Gelände soll es für „null Euro“ dazugegeben haben. Davon können Alternative nur träumen.