Passionierte Polemik

Die Journalistin Eva Schweitzer hatte eine tolle Idee zu einem Bestseller: die USA des George W. Bush mit dem Deutschland Adolf Hitlers zu verknüpfen. Das Ergebnis ist mehr als dürftig

Mit Michael Moore haben wir einen Blick ins verschrobene Hier und Jetzt der USA geworfen. Und Emmanuel Todd hat uns gezeigt, wie die letzten Supermacht ihren Niedergang erleben wird. Was ist nicht alles Geistreiches wie Irrwitziges über die Vereinigten Staaten geäußert worden. Vom Compassionate Conservativism bis zum Imperial Overstretch hat der Buchmarkt den Grundwortschatz moderner Amerikanistik populär gemacht. Nun scheint die Zeit gekommen, um sich einer wesentlicheren Sache zu widmen: etwa Amerikas Vergangenheit.

Denn wer boshaft ist, der ist es von Kindheit an. Der österreichische Journalist Eric Frey hat uns vor einem Jahr einen Führer durch Amerikas Abgründe („Schwarzbuch USA“) an die Hand gegeben. Und bereits hier fand sich unter der Überschrift „Hitlers unfreiwillige Helfer“ ein Kapitel, dessen Inhalt nun in einem Buch der deutschen Journalistin Eva Schweitzer weiter ausgewalzt wird: die Verbindungen der USA zum „Dritten Reich“.

In ihrem Buch „Amerika und der Holocaust“ koppelt Schweitzer zwei Themen aneinander, die in Deutschland beim besten Willen nicht floppen können: die USA des George Walker Bush und das Deutschland Adolf Hitlers.

Auch wenn Schweitzers Buch mit dem Untertitel „Die verschwiegene Geschichte“ aufmacht, so sind viele der hier präsentierten Fakten bei weitem nicht neu. Dass die USA eine restriktive Einwanderungspolitik gegenüber den europäischen Juden betrieben, ist schon lange bekannt. Spätestens als 1939 die tragische Irrfahrt des Flüchtlingsschiffs St. Louis um die Welt ging, das mit hunderten Naziverfolgten an Bord vergeblich Zuflucht in Havanna und New York suchte, war Gemeingut, was Schweitzer nun als Insiderwissen zu präsentieren sucht: Die Vereinigten Staaten haben mit einem menschenverachtenden Papierkrieg nahezu alles darangesetzt, um die Verfolgten nicht ihren Schergen entkommen zu lassen.

1933 etwa, im Jahr der Machtergreifung, erhielten nur 1.919 Antragsteller ein Visum für die USA. Während die Flüchtlingsschlangen vor den Konsulaten länger wurden, regelte Amerika die Einwanderung unverändert nach wirtschaftlichen Kriterien. Wer nicht berühmter Künstler oder Wissenschaftler war, der hatte in der anhaltenden Rezession der Weltwirtschaft auf Ellis Island wenig Chancen.

Unbekannter klingt da schon das ausführlich recherchierte Kapitel über die ökonomischen Verquickungen des Bush-Clans mit führenden Nazi-Unternehmen wie Flick und Thyssen. Prescott Bush, Großvater des jetzigen Präsidenten, hat als Teilhaber der Bank Brown, Brothers & Harriman bis ins Jahr 1942 Gewinne aus deutschen Rüstungsunternehmen gezogen. Als Teilhaber eines zum Flick-Konzern gehörenden Stahlwerks bei Auschwitz profitierte er zudem von Ausbeutung und Zwangsarbeit.

Ob dies einen dunklen Schatten auf die derzeitige US-Präsidentschaft wirft, ist sicherlich so umstritten wie die kürzlich gezeigte Kunstsammlung von Friedrich Christian Flick. Vieles, was Schweitzer an Vorwürfen aneinander reiht, harrt einer Aufarbeitung. Weniger indes in Deutschland als vielmehr in den USA. Für die deutsche Geschichtsschreibung ist „Amerika und der Holocaust“ lediglich ein Nebenschauplatz. Amerikas Sein und Werden mag nicht immer von Herrlichkeit umkränzt gewesen sein. Eines aber macht Schweitzers Buch zu schnell vergessen: Das Copyright an der industriellen Vernichtung von Menschen wird noch immer hier gehalten. RALF HANSELLE

Eva Schweitzer: „Amerika und der Holocaust. Die verschwiegene Geschichte“. Knaur, München 2004, 360 Seiten,12,90 Euro