Lotsen in Not

Familienförderung zulasten frauenspezifischer Fragen: Die Beratungsstelle biff hilft Frauen in Krisensituationen – trotz drastischer Kürzungen

von Nicolai Schaaf

Für Heike Peper sind die Zeichen klar: „Das Netz, in dem wir arbeiten, hat viele Löcher bekommen, die wir nicht einfach stopfen oder überbrücken können“, kommentiert die Geschäftsführerin der „Beratung und Information für Frauen“ (biff) in Eimsbüttel/Altona die finanziellen und personellen Einschnitte, welche die biff hinnehmen musste – Hinweise darauf, dass Frauen und Mädchen auf der politischen Agenda in Hamburg ganz weit unten stehen.

Seit 26 Jahren, so Psychologin Peper, bietet die biff ein möglichst niedrigschwelliges Angebot für Frauen in Krisen oder schwierigen Situationen. „Dadurch haben wir eine Art Lotsenfunktion. Die Frauen, die sich hier melden, nutzen unsere gute Vernetzung, um an passende Angebote und Hilfestellungen zu kommen.“

Gute Vernetzung in einem breiten Spektrum

Bereits im Flur der Beratungsstelle in der Bogenstraße 2 informieren Broschüren, Flyer oder Faltblätter über Beratungs-, Informations- und Weiterbildungsmöglichkeiten. Arbeit, Bildung, Kultur, Sexualität, Migration, Gewalt, psychosoziale Hilfe – das Spektrum, in dem Vereine und Träger tätig sind, ist so breit wie jenes der Probleme, denen Frauen ausgesetzt sein können. Die biff selbst bietet neben der individuellen Krisenberatung verschiedene Gruppenangebote. Sie richten sich vor allem an Frauen, die eine Trennung hinter sich haben, an Alleinerziehende, aber auch an Gewaltopfer oder Frauen, die wegen seelischer Probleme ärztlich behandelt werden.

Wie viele andere Mitglieder im Verbund Hamburger Frauen- und Mädcheneinrichtungen „pro:fem“ wird auch die biff weitgehend von der Sozialbehörde finanziert. 2002 mussten viele der Einrichtungen drastische Etatkürzungen hinnehmen. Übrig blieb ein Rumpfangebot, in dem, so Peper, eine Weitervermittlung nicht immer möglich ist. Für die biff bedeuteten die Kürzungen zudem Personalabbau sowie den Verlust zweier Standorte – Eimsbüttel und Altona wurden zusammengelegt, daneben ist die Einrichtung jetzt noch in Winterhude und Harburg präsent. Eine professionelle Beratung und fundiertes diagnostisches Wissen könne, klagt Peper, mit diesen eingeschränkten Kapazitäten nur noch schwer gewährleistet werden.

Frauenföderung – nur ein alter Zopf der 70er Jahre?

„Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram hält Frauen- und Mädchenförderung für einen alten Zopf aus den 70er Jahren, der abgeschnitten gehört“, kritisiert Peper. „Dabei haben in der ganzen EU geschlechterspezifische Fragen eine größere Aufmerksamkeit gewonnen.“ Das Gegenteil sei in Hamburg der Fall: Durch die thematische Umverteilung von Frauen und Mädchen als Zielgruppe hin zur Familienförderung spielten geschlechtsspezifische Fragen hier keine Rolle mehr. Selbst auf den Begriff des Feminismus in ihrem Konzept habe die biff verzichten müssen.

„Von vielen Aspekten des Sozialabbaus sind Frauen aber besonders betroffen“, erklärt Peper. Gerade die Hartz-Gesetze und das neue Arbeitslosengeld (ALG II) verschärften die Situation: Wenn das Partnereinkommen angerechnet werde, fielen viele arbeitslose Frauen durch die Hartz-IV-Kriterien, sodass unter Umständen nicht einmal mehr die Krankenkassenbeiträge gesichert seien. „Diese Frauen fallen auch aus den Statistiken heraus und werden kaum Zugang zu Fördermaßnahmen finden.“ Auch Frauen, die vor Gewalt in Frauenhäuser fliehen, bräuchten eine Übergangsfrist, um die eigene Situation in den Griff zu bekommen, so Peper weiter. Allein der Aufwand mit Ämtern und Behörden erfordere eine Menge Zeit. Wer durch das neue ALG II in Ein-Euro-Jobs gezwungen werde, könne kaum sein Leben neu organisieren.

Weit über 1.000 Frauen suchten im vergangenen Jahr Hilfe in der Bogenstraße. Durch den zunehmenden Sozialabbau könnte der Bedarf weiter steigen, vermutet Peper. „Verunsicherung und Irritation durch Hartz IV sind unglaublich“, bestätigt Sozialpädagogin Regine Karrock, die als Beraterin bei der biff arbeitet. Fehlerhafte ALG-II-Bescheide verschlimmerten die Situation zusätzlich, und Karrock befürchtet, dass viele dies nicht bemerkten oder sich nicht trauten, Widerspruch einzulegen.

„In diesen Fällen wollen wir die Frauen in die Lage versetzen, selbst wieder Entscheidungen fällen zu können“, resümiert Peper. Gerade bei Frauen mit Gewalterfahrung sei es wichtig, die Situation zu ordnen und Informationen als Entscheidungshilfe zu liefern. Doch bei den Hartz-Gesetzen „haben wir im Grunde selbst noch einen großen Fortbildungsbedarf, aber nicht einmal die Behörden und Arbeitsagenturen kennen alle Regelungen“, beklagt Peper. Auch bei den geplanten Wiedereingliederungsmaßnahmen, die ab April anlaufen sollen, sei vieles noch völlig unklar. „Für all diese Aspekte muss es schnell Lösungen geben“, so die klare Forderung der Psychologin, sonst würden sich die individuellen Notlagen erheblich verschlimmern.

Monatliche Sozialberatung

Als Reaktion auf die sozialen Verschärfungen und die gleichzeitige Kürzung bei Frauenberatungsstellen bietet die biff nun auch monatliche Sozialberatungen an. Diese finden nicht nur aus finanziellen Gründen in Gruppen statt. „Überall gibt es einen Trend zur Individualisierung. Da versuchen wir ein wenig gegenzuhalten. Und es kommt sehr viel Potenzial zusammen“, sagt Peper. Schon die Erkenntnis, mit einer Krisensituation nicht allein zu sein, sei eine große Stärkung.

www.bifff.de, www.profem.de