Der späte Sieg bei Wertheim

Nach jahrelangem Prozessieren: Die Wertheim-Erben haben es geschafft, Karstadt muss zurückstecken. Eine Revision wird nicht zugelassen. Das Urteil hat Grundsatzcharakter

VON JOHANNES GERNERT

Ein jahrelanger Rechtsstreit um Restitutionsansprüche ist gestern mit einem klaren Urteil zu Ende gegangen: Die Wertheim-Erben erhalten Verkaufserlöse aus ehemaligen Ostberliner Grundstücken des Kaufhauskonzern Wertheim an der Leipziger Straße zurück.

Die Wiedergutmachung steht folglich der Jewish Claims Conference (JCC) und damit zu einem Großteil den Wertheim-Erben zu. Die JCC hatte rechtzeitig Ansprüche auf die Flächen angemeldet, als sie nach der Wende wieder für Rückerstattungsforderungen zugänglich geworden waren. Der Verband setzt sich immer dann für jüdisches Eigentum ein, wenn Erben fehlen oder ihre Ansprüche nicht schnell genug anmelden können. In der Regel bekommen die Angehörigen etwa 80 Prozent von dem, was erstritten wird.

„Notgedrungen ist es bei Gericht so, dass nachher einer oder mehrere nicht so begeistert sind“, sagte der Vorsitzende Richter Kichler schon während der Verhandlung in Richtung des KarstadtQuelle-Anwalts Thomas Schmidt-Kötters. Und er ließ kaum Zweifel daran, dass der Essener Kaufhauskonzern am Ende zu den nicht so Begeisterten zählen würde. Wenig später verkündete er, dass Karstadt keine Ansprüche auf Entschädigung für ehemalige Wertheim-Grundstücke in Ostberlin hat, die von den Nazis „arisiert“ und nach dem Krieg von der Sowjetunion enteignet worden waren. Die Rückerstattung, die das Vermögensgesetz für solche Fälle vorsieht, solle den damals „persönlich“ Geschädigten zugute kommen, nicht den heutigen Unternehmenseigentümern.

Zu den „Begeisterten“ zählte nach dem Urteil dagegen die Wertheim-Erbin Barbara Principe. „Das Opfer sollte entschädigt werden, nicht das große Unternehmen“, sagte die Amerikanerin. „Es ist eine Befriedigung zu sehen, dass man dauerhaft nicht mit solchen Schandtaten davonkommt“, sprach nebenan der Erben-Anwalt Matthias Druba in die Kameras.

Die Karstadt-Vertreter zeigten sich in der anderen Saalecke „enttäuscht“ und etwas trotzig. Man werde vors Bundesverwaltungsgericht ziehen, obwohl das Berliner Gericht keine Revision zugelassen hat, erklärte der Konzernsprecher Jörg Howe.

Schon 2001 hatte das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen entschieden, dass die Entschädigung der Jewish Claims Conference zusteht. Gegen diesen Beschluss hatte Karstadt nun geklagt. Der Essener Konzern behauptete, man habe mit der Übernahme der Kaufhauskette Hertie in den Neunzigern auch die Firmengeschichte Wertheims gekauft. Hertie nämlich war nach dem Zweiten Weltkrieg über teils dubiose Deals, die derzeit in den USA verhandelt werden, an Wertheim-Anteile gelangt. Damit habe Karstadt Anspruch auf die Entschädigung für die NS-Enteignung.

Rein formal hat das Verwaltungsgericht mit diesem Urteil nur über den Verkaufserlös für die auf 15 Millionen Euro taxierten Grundstücke an der Leipziger Straße 126 bis 130 entschieden. Sie liegen vor dem vor kurzem geschlossenen Club Tresor, dessen Namen an die Geschichte erinnert. Denn vor siebzig Jahren war dort tatsächlich der Tresor des größten Wertheim-Kaufhauses. Die Entscheidung wird aber bald auch für andere umstrittene Flächen gelten. Für jene am Rosenthaler Platz etwa, wo ein anderes Warenhaus stand. Oder für den Platz, auf dem die Bundestagsbibliothek, das Marie-Elisabeth-Lüders-Haus, gebaut wurde. Insgesamt sind um die 50 Grundstücke betroffen. Auch das Lenné-Dreieck, auf dem das Beisheim-Centre steht. Schätzungen zufolge geht es um bis zu 500 Millionen Euro.