Multikulti gab es bisher nicht

betr.: „Multikulti ist verantwortungslos“, Interview mit Seyran Ates, taz zwei vom 28. 2. 05

Die Wut über die patriarchale Zwangsverheiratung und Diskriminierung v. a. von Frauen ist sehr berechtigt – und was da geschieht, wohl auch zu wenig bekannt –, dies kann aber nicht pauschalisiert sogenannten „Multikulti-Gutmenschen“ angelastet werden.

1. kenne ich solche Menschen nicht. Zum Beispiel im hiesiegen Flüchtlingsforum und Multikulturellen Zentrum macht sich niemand Illusionen über die teilweise sehr konservativen Einstellungen vieler Migranten. Die Menschen werden in Ihrer Rolle als rechtlose Flüchtlinge und Migranten unterstützt ohne dabei solche Zustände zu ignorieren.

2. Die multikulturelle Gesellschaft, wie ich sie befürworte, gab es bisher nicht mal ansatzweise, dazu würde Partizipation statt Ausgrenzung, aber auch eine Auseinandersetzung mit antidemokratischen und rechten Kreisen gehören. Dazu gehört auch, Islamismus – nicht Moslems – zu bekämpfen, ohne der aktuellen Politik in die Hände zu spielen, die dies als Vorwand für Abschiebungen und Bürgerrechteabbau missbraucht und Moslems unter Generalverdacht stellt. Leider werden aktuell eher Abwehrkämpfe geführt, statt offen für solche Ziele einzutreten. Die verhinderte offene und multikulturelle Gesellschaft wird totgeredet, ohne dass sie je wirklich realisiert wurde. Die Arbeit gegen Diskriminierungen von Flüchtlingen und MigrantInnen und deren Unterstützung für Selbstbestimmung bleibt dafür aber wichtig. Mir fehlt eine konstruktive Kritik, wie Zwangsverheiratung und Ehrenmorde konkret bekämpft werden können. MARKUS PFLÜGER, AG Frieden, Trier

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