Ambivalent eingetanzt

Tanz Bremen eröffnet mit einer sperrig-schönen Vereinigung von Rockmusik und Bewegungskunst

Bremen taz ■ Es gilt als wichtiges Zeichen der Bewerbung Bremens als Kulturhauptstadt Europas 2010: das achttägige Festival für zeitgenössischen Tanz, das am Freitag seinen Auftakt genommen hat. Extra für das Bewerbungsverfahren wurde der zweijährige Rhythmus des traditionellen Tanzfestivals in diesem Jahr durchbrochen. Zum Ende dieser Woche wird eine Vorentscheidung im Auswahlverfahren für die deutschen Kulturhauptstadt-Kandidaten erwartet.

Bis dahin werden in Bremen die Tanzbeiträge von 16 Compagnien aus acht Ländern zu sehen sein – darunter drei deutsche Erst- und drei Uraufführungen. Den Auftakt machte zum Wochenende die packende Inszenierung „publique“ der Französin Mathilde Monnier vom Centre Choréographique National de Montpellier. Die bot tatsächlich keine seichte Unterhaltung, obwohl sie scheinbar leichtfüßig mit Versatzstückchen aus Pop- und Alltagskultur flirtete.

Acht junge Frauen auf der Halfpipe zappeln und schütteln sich, spielen zwei Takte Luftgitarre oder hängen gelangweilt rum. Unernst führen sie coole bis aufgekratzte Bewegungen vor, wie wir sie aus Discos kennen. Hier wird „Saturday Night Fever“ anzitiert, dort huscht Uma Thurmans schwarze Pulp-Fiction-Perücke durchs Bild. Wenn aber der verzerrte Bass aus der Ferne anwächst, die flüsternde Stimme der britischen Rocksängerin PJ Harveys sich zum wütenden Schrei aufdonnert, überspitzen sich diese Gesten zu ekstatischen und irre präzisen Bewegungen zeitgenössischer Tanzkunst.

„Publique“ ist in der technischen Virtuosität atemberaubend, aber mit Monnier war kein Schöngeist am Werk: Ihr nüchterner Blick analysiert die Störungen des Privaten im öffentlichen Raum. Ohrenbetäubender Punkrock wird zur einzigen Möglichkeit, außer sich zu sein und doch im Einklang: Wenn alle acht Frauen gleichzeitig das Schlagzeugspiel simulieren, keimt nur kurz die Hoffnung auf, dass Rock’n’Roll doch noch eine kollektive Erfahrung ist, die Nähe schafft.

Schwierig wird es, wo die Inszenierung PJ Harveys hoch poetische Lieder als Soundtrack des Tanzabends unterlegt. Das funktioniert nicht immer, weil ihr Pathos die übermütigen Bewegungen der Tänzerinnen ausbremst. Und doch ist Monnier die Inszenierung über die verzweifelte Suche nach echten Gefühlen gelungen. Roland Rödermund

Als herausragend angekündigt: Der Senegalese Andréya Ouamba (Di. 8. 3.) und die kanadische Compagnie Marie Chouinard (Do. 10. 3., beide Schauspielhaus). Weitere Infos unter www.tanz-bremen.de und im taz-Veranstaltungskalender.