Losgelöst von taktischen Fesseln

Team der Woche: Die SGBA Tempelhof qualifiziert sich mit einem 5:4-Sieg gegen Bremen nicht nur als Überraschungsdritter der Unihockey-Bundesliga für die Play-offs, sondern beendet auch das Schattendasein der vielleicht schnellsten Sportart

VON MATHIAS LIEBING

Man stelle sich vor, es ist Bundesliga und etwas mehr als 70 Leute gehen hin. Eine unglaubliche Zahl, von der die Verantwortlichen der SGBA Tempelhof zu Beginn dieser Unihockey-Bundesliga-Saison nicht ernsthaft zu träumen gewagt hätten. Eigentlich taten sie dies auch bis kurz vor Beginn der Partie gegen Bremen nicht. Doch eine Viertelstunde vor Spielstart war klar, dass es zum Finale der Punktspielsaison einen Zuschauerrekord geben würde. Über 70 Leute in der Halle – das sind doppelt so viele wie gewöhnlich.

Derart überschaubar sind die Dimensionen des Berliner Unihockey-Sports. Doch dass dies nicht so bleiben wird, liegt in der Natur der Sache einer Spielart, deren Entstehung gerade einmal 35 Jahre zurückliegt. Damals entdeckte der schwedische Handball-Nationalspieler Carl-Ake Ahlqvist während eines Trainingslagers in den USA die ohne Körperkontakt gespielte Hallenhockey-Variante als Übungsform für den Trainingsbetrieb. Er entwickelte das Spiel weiter, das sich als Eishockey in der Sporthalle beschreiben lässt, und von Experten, bezogen auf das Niveau der weltbesten Teams, bereits als das schnellste Sportspiel überhaupt gesehen wird.

Grundlage dafür ist, dass sowohl die Stöcke als auch der Ball aus Kunststoffmaterialien gefertigt sind, was es Spitzenspielern erlaubt, den hohlen, mit Löchern versehenen sowie 23 Gramm leichten Ball auf bis zu 190 Stundenkilometer zu beschleunigen. Dazu funktioniert das Spiel in erster Linie über schnelle, kurze Flachpässe. Eben dieses Tempo ist das Geheimnis der Sportart, die in Skandinavien, angefangen von der Aktivenzahl bis hin zur wirtschaftlichen Infrastruktur, längst zu den etablierten Mannschaftsspielen wie Fußball, Handball und Eishockey aufgeschlossen hat.

In Deutschland, wo Unihockey erst seit etwa 15 Jahren bekannt ist, kann davon noch nicht die Rede sein. Schon gar nicht in Berlin, wo sich auf sechs Unihockey-Vereine etwa 150 angemeldete Spieler verteilen. Als sportliche Zugpferde fungieren zweifelsfrei die Tempelhofer Spieler, die spätestens seit dem vergangenen Wochenende zu dem Überraschungsteam der Bundesliga-Saison geworden sind. Mit einem 5:4 Sieg gegen den direkten Verfolger TV Eiche Horn Bremen haben sich die als Aufsteiger in die Serie gestarteten Berliner am Samstag den dritten Platz und damit die Qualifikation für die Play-offs gesichert.

Vorangegangen ist eine Partie, die an Dramatik kaum zu überbieten war: Gerade im ersten Drittel agierten beide Teams losgelöst von taktischen Fesseln, wodurch sich in diesen 20 Minuten ein Tempospiel entwickelte, welches trotz der gezeigten Abwehrschwächen auf oberem Bundesliga-Niveau anzusiedeln ist. Jeweils viermal trafen beide Mannschaften in das gegnerische Tor. Dass es so nicht weitergehen konnte, war der Tatsache geschuldet, dass sowohl von Berliner als auch von Bremer Seite fortan das Verhindern dem Erzielen von Torchancen vorgezogen wurde. Schließlich galt es, die Qualifikation für die Play-offs zu sichern, was letztlich den Berlinern durch ein Tor von Christian Keil Mitte des zweiten Drittels gelang, der einen Ballverlust in der Bremer Verteidigung ausnutzte. Ein Treffer, der für die Berliner schon jetzt den größten Erfolg der Vereinsgeschichte bedeutet.

„Wir sind sicher für die Play-offs qualifiziert und werden auf Leipzig treffen“, erklärt Adrian Mühle. Zum einzigen Heimspiel der „Best-of-three-Serie“ am 19. März erwartet der Tempelhofer Spieler erstmals mehr als 100 Zuschauer in der Schöneberger Sporthalle Pallasstraße. Im Wissen, dass Unihockey am Samstag in Berlin angekommen ist.