viele, viele bunte smarties von RALF SOTSCHECK
:

Terroranschläge, Grippeepidemie, Kältewelle? Den Engländer bewegt ein anderes Thema: Smarties. In Großbritannien essen sie 16.000 Stück davon pro Minute. Weltweit werden 9.500 Tonnen Smarties im Jahr verspeist. Aneinander gereiht würden die Zuckerscheiben eine Strecke von 102.000 Kilometern ergeben. Eine Kathryn Radcliffe schaffte es ins Guinnessbuch der Rekorde, weil sie in einem Einkaufszentrum in Gateshead 138 Smarties innerhalb von drei Minuten mit Stäbchen aß.

Nun stehen revolutionäre Veränderungen bevor: Ab kommendem Sommer werden die Smarties nicht mehr in der runden Pappröhre, sondern in einem sechseckigen Behälter, der „Hexaröhre“, ausgeliefert. Der Engländer ist empört. Genauso wenig wie vom Pfund Sterling und von der Meile will er sich von der traditionellen Pappröhre trennen. Immerhin hat sie den Zweiten Weltkrieg überlebt. Zwar ist sie nicht so alt wie das Empire, aber immerhin gibt es sie schon seit 67 Jahren. Englisch ist sie allerdings nicht mehr, die Erfinderin Rowntree wurde 1990 von Nestlé aufgekauft.

Die alte Pappröhre sei eine „Ikone des Verpackungsdesigns“, prahlt Neil Ducray, der Marketingdirektor von Nestlé Rowntree. Man konnte sie als Kind zu Fernrohren, griechischen Säulen oder Schiffskanonen umfunktionieren, schwärmt auch Jonathan Glancey in einem Leitartikel des Guardian. Man konnte die Plastikverschlusskappe durch kräftiges Drücken auf die Röhre, wenn sie leer war, in ein Geschoss verwandeln. Die Sechskantverpackung hingegen ist pazifistisch, sie wird mit einem fest angebrachten Deckel wie eine Zigarettenschachtel verschlossen. Außerdem will man demnächst auf jede Packung, wie auf alle Nestlé-Produkte, die Kalorienzahl drucken. Ist Nestlé denn von allen guten Geistern verlassen? „Wenn ich klebrige Zuckerscheiben esse, weiß ich, dass ich keine Diätvollwertkost zu mir nehme“, sagte ein Smarties-Fan, „das muss man mir nicht auch noch schriftlich geben.“

Warum verändert Nestlé die „Ikone“ überhaupt? Das neue Design sei Teil der ständigen Produkterneuerung, die das Ergebnis eingehender Studien und Befragungen der Konsumenten sei, sagt Ducray: „Wir haben bereits den Smarties-Riegel und die Frucht-Smarties eingeführt, und die Hexaröhre ist der nächste aufregende Schritt für die Marke.“ Die bunten Scheiben haben tatsächlich eine aufregende Geschichte hinter sich. Wer könnte das Jahr 1989 vergessen, als zum ersten Mal hellblaue Smarties in den Röhren auftauchten? Acht Jahre später warf Nestlé plötzlich Riesensmarties auf den Markt, die aber unter das Waffengesetz fielen, weil sie, wenn man sie wie ein Frisbee warf, tödlich wie „Goldfinger“ im gleichnamigen James-Bond-Film waren. Einmal gab es zu Halloween sogar eine limitierte Auflage von Horror- Smarties, die heute unter Kennern für horrende Summen gehandelt wird.

„Ich habe die Hexaröhre getestet“, sagt Ducray, „und sie taugt auch zum Basteln: Ich finde sie ideal für Roboterarme. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis ein Raumschiff entworfen wird, das diese Form hat.“ Bis dahin kann man die Hexaröhre ja als Sechskantschlüssel benutzen, um die Schrauben in Ducrays Hirn festzuziehen.