Hinten nicht ganz dicht

Werder Bremen schießt erstmals kein Tor, lässt aber dafür Michael Ballack ein solches köpfen, verliert folgerichtig das Anti-Spitzenspiel bei den Münchner Bayern mit 0:1 und verabschiedet sich vom Titel

AUS MÜNCHEN THOMAS BECKER

Willy Sagnol schaffte es dann doch noch, dieser rundum faden Geschichte eine gewisse Originalität abzugewinnen. Schnappte sich auf dem Heimweg Richtung Kabine den Berni-Bär, das überlebensgroße Bayern-Maskottchen, schob es sanft vor die Ehrentribüne und begann heftig grinsend zu winken. Ein Stück weiter oben saß Freundin Laetitia mit Töchterchen Chiara und schaute staunend hinab zu Willy und Berni – ein schönes Bild. Das war’s dann aber auch schon mit den sehenswerten Szenen beim so genannten Spitzenspiel der Liga. Michael Ballack hatte ja so Recht: „Das war heute nicht das Schön-Spiel.“ Nix Erwärmendes, und dann fing’s auch noch an zu schneien.

Bayern – Bremen 1:0: Selten ein so langweiliges, von Fehlpässen, Querschlägern und Missverständnissen strotzendes Top-Spiel gesehen. Der erste Bayern-Heimsieg gegen Bremen seit fast fünf Jahren. Bremen erstmals in dieser Bundesliga-Saison ohne Tor. Ballacks sechster Saisontreffer, der vierte per Kopf, sein erstes Bundesligator seit November. Oliver Kahn: zum sechsten Mal im siebten Spiel zu null. Sein 250. Bundesligasieg; nur Manfred Kaltz hat mehr. Pizarro trug diesmal nichts zur Statistik bei: Hätte sein 50. Bundesligator schießen können. Tat er aber nicht. Wurde kurz nach der Pause ausgewechselt.

Ein komisches Spiel. Entschieden von einer einzigen Szene. 7. Minute: Ecke Frings, Kopfball Ballack, eins-null, fertig. Werder-Coach Thomas Schaaf: „Da haben wir richtig geschlafen.“ Wir hieß in diesem Fall: die Zweikampfverweigerer Baumann und Klose. Auf der Anzeigetafel leuchtete schon um kurz nach halb vier die Statistik auf: „Bayern hat die letzten 65 Spiele nach einem 1:0 nicht verloren.“ Die Serie hielt. Schaaf weiter: „Wir waren aber nur um diese eine Situation schlechter. Das hat gereicht, um zu verlieren. Zweikämpfe sind nun mal entscheidend.“ Bayern-Trainer Felix Magath sprach derweil über seinen Torschützen: „Er ist sehr wichtig für die Mannschaft, gerade in den Spitzenpartien.“

Von Ballacks Gegenstück auf Bremer Seite kann man das nicht sagen: Johan Micoud hatte wieder einen seiner lethargisch-lustlosen Tage erwischt, an denen man sich als Mitspieler wahrscheinlich total mies vorkommt, wenn man den Kreativ-Chef mit einem ordinären Zuspiel belästigt. Keine Spur von Bremens Auswärtsstärke: 28-mal hat Werder auf fremden Plätzen getroffen, ein Mal weniger als Bayern daheim. „Diesmal haben wir es nicht so richtig rübergebracht“, sagte Schaaf, „wir hören jetzt aber nicht mit der Saison auf.“ Manager Klaus Allofs fühlte sich an die Lyon-Schlappe erinnert: „Wir geben die Tore zu leicht her. Das ist der Unterschied zum Vorjahr: Im entscheidenden Moment sind wir nicht so da.“

Ist der Meister mit sieben Punkten Rückstand raus aus dem Titelrennen? Bayern-Manager Uli Hoeneß meint: „Bremen ist so stark, dass sie absolut dabei bleiben. Werder wird immer unterschätzt. Das ist eine Spitzenmannschaft.“ Magath sagt: „Bremen ist vorerst mal weg.“ Vereinsboss Jürgen L. Born glaubt, die Titelverteidigung sei „mehr oder weniger ein Wunschtraum“. Und Kapitän Baumann erklärt: „Es ist umso schwieriger, wenn man gegen zwei Teams einen Rückstand aufholen muss.“

Das zweite Team: Schalke 04. Drei Tage nach der Champions-League-Entscheidung gegen Arsenal geht’s in Münchens „Woche der Wahrheit“ am kommenden Sonntag zum nächsten Gipfeltreffen: nach Schalke, zum punktgleichen Verfolger. Und das ohne den Torjäger vom Dienst. Drei Minuten vor Schluss fiel Roy Makaay in einem langen Sprint um wie ein Sack Mehl: Muskelfaserriss, zwei Wochen Pause. Bayern ohne Makaay, der 22 von 24 Partien durchspielte – eine neue Situation für den Trainer: „Da muss ich mich erst mal mit anfreunden.“ Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge gab sich cool: „Wir werden deshalb nicht in Trauer verfallen. Wir haben gute Stürmer. Jetzt müssen andere ran.“ Ob’s gegen Arsenal (Rummenigge: „Wie die Hunnen werden die über uns herfallen“) zur peruanischen Doppelspitze Pizarro/Guerrero kommt, ließ Magath offen; derzeit ist die Abwehr wichtiger. „Unsere Defensivleistung war heute ausschlaggebend. Das stimmt mich optimistisch für Arsenal.“ Und aufregender kann es auch nur noch werden.

Bayern München: Kahn - Sagnol, Lucio, Kovac, Schweinsteiger (84. Hargreaves) - Demichelis - Salihamidzic (63. Deisler), Frings - Ballack - Pizarro (55. Guerrero), Makaay Werder Bremen: Reinke - Stalteri, Ismael, Pasanen, Schulz (69. Hunt) - Baumann (62. Jensen) - Borowski, Ernst - Micoud - Klose (76. Zidan), Valdez Zusch.: 61.000; Tor: 1:0 Ballack (7.)