„Die Händler brechen das Gesetz“

Wenn Jugendliche ihre Grenzen austesten wollen, helfen höhere Preise oder Werbeverbote nur begrenzt, meint der Drogennotdienst Berlin

■ Der 54-jährige Hoffmann-Bayer ist Geschäftsführer des Notdienstes für Suchtmittelgefährdete und -abhängige Berlin.

taz: Herr Hoffmann-Bayer, ein 16-Jähriger bekommt in einer Kneipe 45 Gläser Tequila. Kann das jederzeit wieder passieren?

Michael Hoffmann-Bayer: Das ist sicher nicht normal. Aber das Problem ist ja bekannt: Die Wirte und auch die anderen Verkäufer achten selten darauf, wem sie etwas verkaufen. Wenn das Jugendschutzgesetz eingehalten würde, könnte man dieses Verhalten eindämmen, schon im betrunkenen Zustand noch mehr zu kaufen und dann noch mehr und noch mehr. Das Problem ist ja, dass die Jugendlichen mit Absicht ihre körperlichen Grenzen überschreiten wollen. Dass das tödlich sein kann, ist ihnen nicht bewusst.

Wie bringt man die Verkäufer dazu? Mit jugendlichen Testkäufern, wie die Innenminister es wollen?

Das kann man durchaus machen. Seitdem die Drogenbeauftragte Sabine Bätzing Druck macht, wird insgesamt sehr viel mehr über das Trinken von Jugendlichen geredet. Und das hat schon etwas bewirkt. Den Händlern ist klar geworden, dass sie Gesetze brechen und dass sie dafür belangt werden können. Uns berichten Jugendliche, dass sie größere Schwierigkeiten haben, an Alkohol zu kommen.

Die Diskussion allein reicht also aus?

Nein, es müssen natürlich schärfere Kontrollen her. Wenn Jugendliche ins Krankenhaus eingeliefert werden, dann müssen Polizei oder Ordnungsamt ermitteln, woher sie den Alkohol haben. Den Verkaufsstellen muss klar sein, dass sie ihre Konzession verlieren können, wenn sie dieses Gesetz nicht einhalten.

Bätzings Aktionsplan ist gescheitert. Sie wollte ein Werbeverbot, höhere Steuern, keine Sport-Sponsorenverträge mehr mit Brauereien. Ist sie übers Ziel hinausgeschossen?

Nein, es war wichtig, mit Maximalforderungen einzusteigen. Die Werbung verherrlicht das Alkoholtrinken. Es würde schon nützen, wenn die ARD nicht länger meinen würde, dass man den „Tatort“ nur mit einem Bier genießen kann. Den Alkohol zu verteuern ist auch eine Lösung. Aber wir haben es mit der Hochrisikogruppe zu tun, die findet immer einen Weg, an Alkohol heranzukommen. Für sie ist es wichtiger, dass der Jugendschutz konsequent angewandt wird. Und die Jugendlichen brauchen Informationen: Was macht der Alkohol mit meinem Körper? Was hat das für Konsequenzen, wenn ich in die Mühle der Polizei gerate, und so weiter. Es ist unglaublich, was die alles nicht wissen.

INTERVIEW: HEIDE OESTREICH