Kirche zu arm für Kinder

Die evangelische Kirche in Westfalen und Lippe kann ihre Kindertageseinrichtungen nicht mehr finanzieren

BIELEFELD taz ■ Knappe Kassen allerorten verschärfen in Nordrhein-Westfalen den Streit um die Finanzierung der Kinderbetreuung. Evangelische Kirche und Diakonie in Westfalen und Lippe, die gemeinsam mehr als 68.000 Betreuungsplätze bereitstellen, befürchten nun, dass der von der Landesregierung geplante Ausbau der Betreuung für unter Dreijährige der Finanzknappheit zum Opfer fallen wird. Sie fordern eine gerechtere Verteilung der Kosten.

In NRW ist als einzigem Bundesland festgeschrieben, dass die beiden großen Kirchen, die als so genannte „reiche“ Träger gelten, einen Eigenanteil von 20 Prozent bei der Finanzierung der Kindertageseinrichtungen aufbringen. „Die anderen Träger wie etwa die Arbeiterwohlfahrt zahlen deutlich weniger oder gar nichts“, erklärt Pfarrer Jürgen Dittrich, der Vorsitzende des Evangelischen Fachverbands der Kindertageseinrichtungen. Zwar würden die kirchlichen Einrichtungen in der Regel mit kommunalen Zuschüssen unterstützt, doch sei die Höhe dieser Zuschüsse von Kommune zu Kommune unterschiedlich.

Nach eigenen Angaben hat die Kirche an die 1.042 evangelischen Tageseinrichtungen in Westfalen und Lippe im vergangenen Jahr 47,4 Millionen Euro ausgezahlt und die öffentliche Hand um diese Summe entlastet, so Dittrich. Einige Kirchengemeinden steckten bereits ein Drittel ihres Etats in die Kindertageseinrichtungen.

Gleichzeitig leiden die beiden großen christlichen Glaubensgemeinschaften unter dem stetigen Rückgang ihrer Einnahmen aus der Kirchensteuer. Sinkende Kinderzahlen, die in den kommenden Jahren zu einem geringeren Bedarf an Betreuungsplätzen führen werden, können die abnehmenden Einnahmen nicht kompensieren. Zwar würden bis zum Jahr 2010 für die Drei- bis Sechsjährigen rund 36.000 Plätze weniger benötigt. Ziel sei aber eigentlich, die frei werdenden Kapazitäten für die Betreuung der Kinder im Alter von bis zu drei Jahren umzuwandeln.

Erst im vergangenen Dezember hatten Kirche, Landesregierung und Kommunen eine gemeinsame Erklärung unterzeichnet, in der sie sich zu „gemeinsamen Anstrengungen“ verpflichten, um das Betreuungsangebot den veränderten demografischen und finanziellen Verhältnissen anzupassen. Diese Strukturreform scheint angesichts der leeren Kassen nun jedoch gefährdet. Allein bis zum Jahr 2008 müssten wegen der angespannten Finanzlage voraussichtlich 10.000 Plätze gestrichen und mehr als 600 Erzieherinnen-Stellen abgebaut werden, so Dittrich. Von Umwandlung also keine Spur.

Die Landeskirche hofft nun auf die Mithilfe der nordrhein-westfälischen Politik. Notwendig sei eine Gesetzesänderung, die den Eigenanteil der kirchlichen Träger reduziere. „In Richtung zehn Prozent“, erhofft sich der Pfarrer. ULLA JASPER