Grünschnitt gegen Bürgerangst

Für Kommunen und Wohnungsvermieter wird die „gefühlte Sicherheit“ ihrer Einwohner immer wichtiger. Aber nur mit gut beleuchteten U-Bahn-Eingängen ist die Angst der Bürger nicht besiegt

aus KÖLNBENJAMIN TRIEBE

Wie sicher das Leben in einer Stadt ist, hängt für Fachleute nicht nur mit Handtaschenrauben und Verkehrsunfällen zusammen. Für sie geht es auch um die so genannte „gefühlte Sicherheit“ der Menschen: die Angst vor Verbrechen. Auf einer Tagung der Fachhochschule (FH) Köln berieten gestern Städteplaner, Forscher, Polizisten und Politiker, wie sich die Bürger dank baulicher Maßnahmen von solchen Sorgen befreien lassen. Doch auch den Experten ist klar, dass sich mit gestutzten Hecken und erleuchteten Unterführungen allein noch keine Bedrohungsängste ausräumen lassen.

Grundlage der Fachtagung ist ein zweijähriges Projekt der FH, bei dem sich Studenten unter der Bevölkerung eines Stadtteils mit 70er-Jahre-Miethäusern umgehört hatten. Ihre „Sicherheits-Audits“ genannten Befragungen lieferten Erkenntnisse, die „von Experten so nicht erwartet wurden“, wie es FH-Mitarbeiterin Sabine Kaldun ausdrückt. Nicht nur dunkle U-Bahneingänge, hohes Gestrüpp und uneinsehbare Plätze mindern das Sicherheitsempfinden. Oft regiert auch die Angst vor Mitbürgern: Herumlungernde Jugendliche in einem Viertel sorgen laut Studien bei den Einwohnern für Unbehagen.

Deswegen muss zweigleisig gearbeitet werden. „Wir hatten in Düsseldorf einen zugewachsenen Platz, auf dem immer Jugendliche ihre Abende verbrachten“, berichtete Werner Leonard, der als kommunaler Vertreter an der Tagung teilnahm. „Keiner der Einwohner des Viertels wollte diesen Platz mehr betreten.“ Was tat man in Düsseldorf? Die Bäume wurden geschnitten, der Platz nach Wünschen der Anwohner neu gestaltet und die Jugendlichen an Sozialarbeiter übergeben.

An diesem Beispiel zeigt sich nach der Auffassung von Herbert Schubert, dem Leiter des FH- Forschungsschwerpunktes „Sozial+Raum+Management“, die begrenzte Wirkung von städtebaulichen Maßnahmen. Die sicherheitsorientierte Renovierung von Plätzen und Häusern könne immer nur die „Hardware“ sein – die „Software“ seien die sozialen Bindungen in einem Viertel. „Ein heller Eingang nützt nichts, wenn keiner hinguckt“, sagte Schubert.

Aus Sicht der Wohnungswirtschaft ist die Sicherheit im Viertel ein Wettbewerbsfaktor. „Die Städte schrumpfen, die Leerstände nehmen zu“, sagte Burkhard Schneider, Direktor des Verbands der Wohnungswirtschaft Rheinland-Westfalen. Vermieter müssten bald um ihre Mieter kämpfen, und die immer älteren Mieter wünschen sich sichere Wohngebiete. „Die Bedeutung des Themas wird weitgehend unterschätzt“, sagte Schneider.

Da aber neben den baulichen auch soziale Lösungen gesucht werden, sollten auf der Kölner Tagung Akteure aus Kommunen, Wirtschaft und Polizei Kontakte knüpfen. „Die Chance auf sichere Viertel gibt es nur, wenn alle zusammenarbeiten“, bekräftigte Schneider. Werner Leonard wies nochmals auf das „Modell Düsseldorf“ hin: Dort wird jeder Entwurf eines Bebauungsplans einem Sicherheits-Gremium vorgelegt. Das kann allerdings nur Empfehlungen aussprechen. Denn manchmal wollen die Bürger gar nicht so viel Sicherheit. Etwa dann, wenn das Gestrüpp vor ihren Wohnungen regelmäßig geschnitten werden soll – manchem Anwohner ist das einfach zu laut.