Streit um Sonntagsarbeit entzweit die Franzosen

FRANKREICH Per Gesetz will Paris die Sonntagsarbeit ausweiten. Das findet nicht überall Zuspruch

PARIS taz | Sonntag ist Ruhetag. So garantiert es seit 93 Jahren das französische Recht. Jetzt will Nicolas Sarkozy die Regel ändern. Im Auftrag des Staatspräsidenten bringt die rechte Regierungspartei UMP heute ein Gesetz ins Parlament, das zahlreiche Ausnahmen schafft, um die Sonntagsarbeit zu ermöglichen. Die Opposition, die Gewerkschaften und ein kleiner Teil der rechten Abgeordneten sind dagegen. Sie befürchten eine Generalisierung der Sonntagsarbeit. Viele Franzosen haben zwei Seelen in ihrer Brust: Als Konsumenten wollen sie am Sonntag einkaufen. Als Beschäftigte wollen sie den Sonntag nicht ihrem Patron opfern.

Das nach seinem Autor benannte Mallié-Gesetz sieht unter anderem vor, dass die Sonntagsarbeit in den Geschäften bestimmter Zonen rund um die Großstädte Paris, Lille und Marseille über das ganze Jahr erlaubt ist. Bei den „Puce“- Zonen handelt es sich um Einkaufszentren mit „außergewöhnlich starkem Handelsaufkommen“. Laut Gesetz sollen die Beschäftigten der „Puce“ nur auf freiwilliger Basis am Sonntag arbeiten, mindestens den doppelten Lohn bekommen und jederzeit wieder von der Sonntagsarbeit zurücktreten dürfen. Die Kritiker des Gesetzes befürchten, dass die Legalisierung der Geschäftsöffnung in den „Puce“-Zonen am Sonntag zur „kommerziellen Verwüstung“ der umliegenden Gemeinden führen wird. Die „Freiwilligkeit“ und die „Umkehrbarkeit“ der Sonntagsarbeit halten sie angesichts der Situation auf dem Arbeitsmarkt für eine Illusion.

Eine weitere Ausnahmeregel des Gesetzes gilt für „touristische“ Zonen. In diesen Zonen gilt weder das Prinzip der Freiwilligkeit noch müssen die Beschäftigten einen Sonntagszuschlag erhalten. Der Staatspräsident wünscht, dass ganz Paris eine „touristische Zone“ wird, in der am Sonntag gearbeitet wird. Sarkozys Begründung: „Ist es normal, dass ich erst anrufen muss, damit die Geschäfte öffnen, wenn Madame Michelle Obama am Sonntag mit ihren Töchtern shoppen will?“

Die rechten Abgeordneten verteidigen ihr Gesetz damit, dass es eine längst existierende Situation regele und nur auf bestimmte Zonen angewendet werde. In der Opposition befürchtet der PS-Abgeordnete Alain Vialies einen Dominoeffekt und „die Ausdehnung der Arbeitszeit. Ohne Freiwilligkeit und ohne Lohnerhöhung.“ DOROTHEA HAHN