Im Revier sind jetzt alle Essener

Nur zwei Städte hat die Jury als mögliche Kulturhauptstadt Europas ausgewählt. Überschwängliche Freude im Ruhrgebiet – und Genugtuung nach der vielen Häme im Vorfeld aus anderen Regionen

AUS ESSENPETER ORTMANN

Einen Tag nach dem Freudenfest auf der Zeche Zollverein wirkten viele Gesichter bei der Ruhrpressekonferenz noch müde, die Augen etwas glasig. Dennoch stellte sich selbst NRW-Kulturminister Michael Vesper (Grüne) dem Blitzlichtgewitter im sonst immer totenstillen Lichthof des Regionalverbands-Hauses in Essen. Freude und Stolz lugte aus allen Knopflöchern. Das Ruhrgebiet hat seit Donnerstag die besten Chancen, 2010 Kulturhauptstadt Europas zu werden.

„Daran kann man sehen, wozu das Ruhrgebiet fähig ist, wenn alle an einem Strang ziehen“, sagt Essens Oberbürgermeister Wolfgang Reiniger (CDU) und gibt damit der wichtigsten Essenz aus dem Bewerbungsverfahren Ausdruck. „Das Ruhrgebiet ist ein schlafender Riese“, auch der Bochumer Kulturdezernent Hans-Georg Küppers (SPD) sieht in der Zusammenarbeit über Stadtgrenzen hinweg die wichtigste Lehre der letzten Monate. „Selbst Duisburg und Dortmund als die Flankenstädte des Ruhrgebiets hätten das jetzt begriffen“, sagt Küppers, auch wenn sie nicht in der selben Intensität mitgemacht hätten. Dieser Seitenhieb wird beim Regionalverband Ruhr (RVR) nach der letzten Kommunalwahl immer besonders beschmunzelt, Dortmunds Oberbürgermeister Gerhard Langemeyer (SPD) und seine eigentlich negative Haltung zur Ruhrstadtdebatte und der Kulturhauptstadtbewerbung ist hier seit Jahren bekannt.

Auch der neue Regionaldirektor Hans-Dieter Klink (SPD) freut sich, macht die Kulturhauptstadtbewerbung jetzt zur Chefsache: „Das Büro von Projektmanager Jürgen Fischer wird mir ab sofort persönlich unterstellt.“ Und er bietet dem Essener Kulturdezernenten Oliver Scheytt (SPD) spontan einen Posten beim RVR: Beauftragter des RVR bei der Kulturhauptstadtbewerbung. Scheytt, der lange als Gegenkandidat von Klink um den Direktorenposten gehandelt wurde, findet das gar nicht komisch und muss sichtlich schlucken. Das sei ja nur eine Nebentätigkeit, grummelt er. Dennoch sieht er im RVR die wichtige Klammer für die Zukunft. „Wir brauchen hier demnächst keinen Intendanten“, sagt Scheytt. Das junge Team, das bei der Jury den Erfolg gebracht hat, soll auch den weiteren Weg nach Europa beschreiten.

Für Kulturminister Vesper, der direkt aus Berlin angereist ist, hat die Juryentscheidung für das Ruhrgebiet auch Bedeutung für die kommende Landtagswahl in NRW. Damit habe die Kultur im Land eine größere Bedeutung bekommen. „Es macht die Stimmung einfach positiver“, sagt Vesper der taz.