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Keine einsames Gekratze auf verstimmten Geigen

Sie entstammen allen Niveaus, und sie üben immer gemeinsam: Das Kinder- und Jugendlichenorchester „Coole Streicher“ beschreitet neue musikpädagogische Wege

Es klingt so banal und ist doch nicht selbstverständlich: Der soziale Hintergrund darf nicht über die Chance auf Bildung entscheiden. Darum geht es dem Südschleswigsche Wählerverbund (SSW) bei der Forderung nach einem einheitlichen Schulsystem; in der Musik widmet sich das Projekt Rhythm is it von Sir Simon Rattle diesem Thema. Beide, SSW wie Rattle, setzen auf die Formel „lernen in der Gemeinschaft“. Wissenschaftliche und kulturelle Bildung soll als Strategie in sozialen Brennpunkten fungieren und allen Kindern und Jugendlichen eine Chance auf eine gute Ausbildung und musikalische Erziehung geben.

Ein Ensemble, das seit mehreren Jahren erfolgreich neue musikpädagogische Wege bestreitet, ist das Orchesterprojekt Coole Streicher. Gegründet von Angelika Bachmann, Gesa Riedel und Iris Siegfried, drei Musikerinnen des Quartetts Salut Salon, setzt das Kinder- und Jugendlichenensemble auf die musikalische Ausbildung in der Gemeinschaft. Ehrenamtlich engagieren sich die drei Geigen- bzw. Cellolehrerinnen in dem Projekt, mit dem sie zugleich eine Alternative zur eigenen musikalischen Erziehung bieten: Bei ihnen musizieren 36 Mädchen und Jungen zwischen fünf und 20 Jahren von Anfang an zusammen und fördern sich so gegenseitig: Vom Profi bis zum Anfänger ist bei den Coolen Streichern alles dabei. „Wir haben Schüler, die gerade einmal drei Unterrichtsstunden hatten und solche, die bereits vor der Aufnahmeprüfung an einer Musikhochschule stehen“, erklärt Iris Siegfried.

Neben dem Privatunterricht musizieren die Coolen Streicher zweimal pro Woche in der Yamaha Acadamy of Music und bereiten sich auf Konzerte vor. Mit denen haben sie sich längst einen Namen gemacht: 2004 erhielt das Projekt den INVENTIO-Förderpreis des Deutschen Musikrats, der musikpädagogische Innovationen würdigt.

Das Publikum haben die Coolen Streicher auch beim Benefizkonzert in der ausverkauften Laeiszhalle (Musikhalle) erobert, das sie zusammen mit ihren Patinnen von Salut Salon gaben. 2004 traten sie mit den Mädchen und Jungen der chilenischen Musikschule Escuela Popular de Artes (EPA) in Hamburg, Hannover und Berlin auf.

Mit den jungen Musikern der EPA-Musikschule verbindet die Coolen Streicher eine besondere Freundschaft: Waren sie im vergangenen Jahr Gastgeber in Hamburg, so soll es im Oktober ein Wiedersehen geben – in Chile. Die EPA-Musikschule aus dem dortigen Armenviertel Achupallas bei Viña del Mar ist dort seit ihrer Gründung 1997 als Anlaufstelle fest verankert. Das Team aus Lehrern, Psychologen und Sozialpädagogen will damit Kindern und Jugendlichen eine Perspektive geben, ähnlich wie das Filmprojekt Rhythm is it, im Unterschied jedoch zu den Coolen Streichern, wie Iris Siegfried erläutert: „Der Ansatz ist verschieden. Rhythm is it versucht direkt Kinder sozial benachteiligter Stadtteile einzubeziehen, das ist bei den Coolen Streichern nicht der Fall.“

Allen drei Projekten gemeinsam ist allerdings der ehrenamtliche und persönliche Einsatz für eine musikalische Ausbildung von Kindern und Jugendlichen. Ein Engagement, das angesichts drastischer Kürzungen im kulturellen Bereich ganz besonders nötig ist. Christine Schams

Konzert von Salut Salon und den Coolen Streichern: Di, 15.3., 20 Uhr, Fliegende Bauten

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