Trüber Fleck auf der Goldenen Quelle

Da hilft kein Weihrauch mehr: Das Ansehen des griechischen Erzbischofs Christodoulos ist von Skandalen angekratzt

Das Verhältnis von Staat und Kirche zeigt sich jeden Morgen vor dem Amtssitz des „Erzbischofs von Athen und ganz Griechenland“. Wenn das Oberhaupt der orthodoxen Kirche durchs Tor schreitet, küsst ihm der wachhabende Polizist die Hand. Dann schmunzelt Erzbischof Christodoulos. Der 63-Jährige fühlt sich seit seiner Wahl 1999 als Führer der Nation, der den Politikern den rechten Weg zu weisen hat. Ob er gegen die EU-Verfassung wettert, die in der Präambel das „christliche Erbe Europas“ verrät, ob er den „barbarischen“ Türken die europäische Qualifikation abspricht, stets gibt er zu erkennen, dass er die orthodoxe Kirche für die „Mutter des Volkes“ und „die Arche Noah des Griechengeschlechts“ hält.

Mit solch verbalem Weihrauch bemüht sich Christodoulos auch jetzt, die Krise der orthodoxen Kirche Griechenlands zu vernebeln. Denn die „Mutter des Volkes“ droht ihre Kinder zu verlieren. Das liegt vor allem an den Bischöfen, über die täglich neue Gerüchte kursieren. Aber dem Volk reichen schon die harten Fakten: Der Bischof von Attika hat viel zu viel Geld bei einer Offshore-Firma geparkt, der Bischof von Korinth führt kirchliche Spenden auf private Konten ab, der Bischof von Thessalien unterhält Kontakte zur albanischen Drogenmafia. Kein Wunder, dass heute 82 Prozent der Bevölkerung den höheren orthodoxen Klerus für korrupt halten.

Am schlimmsten für die Kirche ist aber, dass ihr Oberhaupt sie nicht mehr glaubwürdig verteidigen kann. Als Christodoulos 1999 gewählt wurde, lag sein Popularitätsgrad in Umfragen bei fast 90 Prozent. Im März 2005 halten ihn noch knapp 40 Prozent für eine positive Erscheinung. Und eine Mehrheit meint inzwischen, sein Rücktritt wäre für die Kirche ein Segen.

Christodoulos fiel nur so tief, weil er zu hoch gepokert hatte. Im Sommer 2000 wagte er eine strategische Kraftprobe gegen die Regierung Simitis. Er wollte die Entscheidung des Justizministers, die Angabe der Religion aus dem Personalausweis zu tilgen, mit plebiszitären Mitteln kippen. Die Unterschriftenkampagne, die er organisierte, sollte mehr Stimmen erbringen, als Simitis’ Pasok bei den Wahlen errang. Christodoulos erreichte sein Ziel, doch das Oberste Gericht befand die kirchliche Kampagne für verfassungswidrig.

Von diesem Schlag hat sich Christodoulos nicht erholt. Seine Hoffnung, die Regierung Karamanlis, für deren Wahlsieg er seine Herde mobilisiert hatte, werde die Trennung von Staat und Kirche stoppen, wird soeben von der Skandalwelle weggeschwemmt. Und selbst die Kreise, die ihn ins Amt hoben, zeigen sich ernüchtert. Sie stammen aus der Bruderschaft „Chrysi Pyji“ (Goldene Quelle), die – wie das katholische „Opus Dei“ – strenge Glaubensregeln verficht, aber auch auf die Mehrung ihres Vermögens achtet. Seit der Erzbischof in Erklärungsnotstand ist, lässt Bischof Kallinikos von Piräus, der starke Mann der Bruderschaft verlauten, dass Christodoulos die Goldene Quelle eher trübt. NIELS KADRITZKE