Im Büro muss der Vater draußen bleiben

Dogma Vollzeitjob: Männer, die häufiger mit ihren Kindern zusammen sein wollen, gelten bei ihren Kollegen als arbeitsscheu und unsolidarisch. Nur fünf Prozent der Papas nehmen Elternzeit. Den Preis für väterunfreundliche Politik bezahlen die Mütter

VON COSIMA SCHMITT

Er pendelt zwischen Laptop und Legokiste. Er will mehr sein als ein Sonntagsvater, will anderes für die Familie tun als nur das Konto füllen: der neue Mann. Dass man ihn so selten antrifft in deutschen Kinderzimmern, könnte nicht nur am fehlenden Willen liegen. Eine aktuelle Studie zeigt, dass auch Männer ein Problem damit haben, Job und Familie zu vereinbaren.

Das Projekt Teilzeitvater scheitert vor allem am Mobbing der Kollegen. „Die Männer gelten als arbeitsscheu und unsolidarisch“, sagt Peter Döge vom Institut für Zukunftsforschung in Berlin, der die Pilotstudie zum „Vereinbarkeitsproblem“ leitete. Ein Mann, der früh den Betrieb verlässt, werde als „Drückeberger“ angefeindet, selbst wenn er nur den Nachwuchs aus der Kita abhole. Döge führt das auch auf ein Dogma zurück: Die „stark ausgeprägte Anwesenheitskultur“. Als engagiert gilt nur der Mitarbeiter, der allzeit im Büro sitzt. Dabei könnte er vieles zu Hause per Mausklick erledigen.

Doch selbst die wenigen Männer, die den Väterdienst wagen, tun dies selten aufgrund hehrer Ideale. Ihr Hauptgrund, so die Studie: Sie waren unzufrieden mit ihrem Job. Skepsis ist auch geboten, wenn Firmen mit dem Etikett „familienfreundlich“ ihr Image aufpolieren. Viele Unternehmen gewähren nur deshalb Teilzeit, weil sie ohnehin Stellen abbauen wollen. Und sie richten Telearbeitsplätze nicht etwa aus Idealismus ein – sondern weil sie so Büroräume einsparen.

„Unsere Gesellschaft diskriminiert Männer, die mehr vom Leben wollen als nur arbeiten, schlafen, arbeiten“, sagt daher Joachim Klett von der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di. Mit anderen Experten suchte er gestern in der Evangelischen Akademie Berlin nach Erklärungen für ein Kuriosum: Bei Befragungen outet sich jeder Fünfte als „neuer Mann“, der aktiver Vater sein, Haus- und Erwerbsarbeit fair mit der Partnerin aufteilen will. De facto aber nehmen gerade einmal fünf Prozent der Männer Elternzeit. Das sind zwar dreimal mehr als in den frühen Neunzigern. Die große Väteroffensive aber blieb aus.

Dabei wäre es für die meisten Firmen kein finanzielles Desaster, sie an allen Fronten zu fördern. Die Prognos AG in Basel etwa hat errechnet, was ein Väter-Paket mit Beratung, Teilzeitmodellen, Telearbeit und Betriebskita in Unternehmen mit 1.500 Mitarbeitern kosten würde: rund 304.000 Euro. „Das ist so viel wie zweieinhalb Weihnachtsfeiern“, sagt Prognos-Mitarbeiter Tilmann Knittel.

Dennoch dürfen die Väterbewegten kaum auf ein breites Echo hoffen. Selbst Betriebsräten gelte so etwas „derzeit als Luxusproblem“, kritisiert Klett. Dabei bedrängen aktuelle Wirtschaftskrisen gerade den häufigsten Typ der neuen Väter: den Vollzeit-Arbeiter, der pünktlich das Büro verlassen will, um die Abendstunden dem Kind zu widmen. „Diese Väter haben es momentan sehr schwer“, sagt Klett. Unternehmen bürden lieber den schon Beschäftigten Mehrarbeit auf, als neue Kräfte einzustellen. Die Väter verfolgen die Debatten um längere Arbeitszeiten, fürchten den Jobverlust – und wagen es immer seltener, auf den Acht-Stunden-Tag zu pochen.

Das Problem bleibt an den Frauen hängen, wie Väterforscher Thomas Gesterkamp erläutert: „Den Preis für zu wenig Väterpolitik bezahlen die Mütter.“ Muss der Vater bis in die Nachtstunden im Büro ausharren, wird die Partnerin zur Ganztagsmutter. Oder sie reibt sich umso überforderter zwischen Wickeltisch und Teilzeitjob auf.