Die Metropole tanzt

Mit „El Paraiso“ und „zäh“ präsentierte das Tanz Bremen-Festival zwei lokale Produktionen und zeigte ein anderes Verständnis von Hauptstadt

Ein Tänzer liegt am Boden, sein Körper zeichnet ein gebrochenes Muster

Bremen taz ■ Der Abend erstrahlt in wenig metropolitanem Glanz: hinter dem Bahnhof, wo sich eine große Parkfläche ins Niemandsland streckt. Einen Versuch, Metropole begrifflich anders zu fassen, weniger global als vielmehr bis in feine Verästelungen, stellt das Netzwerk „TANZstadt Bremen“ dar. So etwas kann nur gelingen, wenn es eine ausgeprägte Tanztradition gibt, wenn die Balance zwischen Input von außen und Eigenproduktion, von Festival-Highlight und täglicher Arbeit, von Strahlkraft nach außen wie nach innen gewährleistet ist. Punktuell ablesen lässt sich das etwa daran, dass sich die Veranstaltungsorte des am Samstag zu Ende gegangenen Tanz Bremen-Festivals über die gesamte Innenstadt erstrecken, vor allem aber daran, dass inmitten internationaler Gastspiele ein Schwerpunkt auf lokale Produktionen lag.

Die Erstaufführung der „tanzwerk“-Produktion „El Paraiso“ ist eine von immerhin sechs Bremer Uraufführungen. Der Raum im Güterbahnhof ist weitgehend leer. Eine weiße Fläche winkelt sich hinten gegen die Rückwand. Sechs Körper liegen wie ein Muster vor der Rückwand, auf die Bilder projiziert werden. Wasser, Strukturen, Oberflächen, allesamt in Nahaufnahme. Drüber beginnt der Soundtrack elektronisch zu wabern, lieblich mitunter, meist aber karstig, zerklüftet, ohne jemals den Schönklang gänzlich zu verlassen. Das Bild der ruhig liegenden, von Zeit zu Zeit zuckenden Körper wird die Choreographie von Rolf Hammes und Oren Lazovski in der folgenden Stunde nie wirklich aufgeben. Auch wenn die Figuren aufstehen, ausbrechen, sich in erzählenden Sequenzen oder solchen, die wie animierte Skulpturen anmuten, immer neu gruppieren. Es überzeugen vor allem die Kleinigkeiten. Ein Tänzer liegt zuckend am Boden, sein Körper zeichnet ein gebrochenes rhythmisches Muster auf die Tanzfläche. Oder wenn alle sechs an verschiedenen Orten des Raums in angespannter Ruhe innehalten, dem Bühnenraum so überhaupt erst Kontur und Intensität verleihen.

Helge Letonjas „zäh“ geht von einem ganz anderen Punkt aus. Seine Arbeit ist über abstrakte Räume im Ergebnis erzählerischer, weniger puristisch anmutend als das von einem regelrechten Plot ausgehende „El Paraiso“. Hier zerfällt das Quartett immer wieder in andere Geschichten, spricht in verschiedenen Sprachen, setzt wenige aber prägnante Requisiten ein. Die Linien von Inhalten, Tanzformen und choreographischen Zugängen kreuzen sich. Was für die ästhetische Erfahrung und Sättigung der Bremer freien Szene spricht. Dass beide Produktionen neben hiesigen Akteuren internationale Gäste versammeln, ist noch ein Grund, warum es einem um die Tanz-Metropole Bremen nicht Bang sein muss.

Tim Schomacker

„El Paraiso“ ist am 16. und 17. März im Güterbahnhof, Tor 48, zu sehen. Die steptext dance company zeigt „zäh“ vom 17.–19. März in der Schwankhalle. Beginn jeweils um 20.30 Uhr.