Der Streit um die Walli

Lieber gestern als heute möchte Lübeck das Gelände verscherbeln, auf dem ein einzigartiges Kultur- und Wohnprojekt zu Hause ist

Eine sichere Bleibe war das Lübecker Wohn- und Kulturprojekt „Walli“ nie. Von Anfang an gab es für die „Alternative“ nur befristete Mietverträge. Den noch bis August geltenden Vertrag wollte die damals in der Stadt regierende SPD kurz vor der Kommunalwahl 2003 nicht verlängern. Ihr Versprechen, dies im Falle eines Wahlsieges zu tun, konnte sie nicht einhalten, da die CDU die Wahlen in der Geburtsstadt Willy Brandts mit absoluter Mehrheit gewann.

Seitdem gehört die Angst vor der Räumungsklage wieder zu den ständigen Mitbewohnern auf dem Gelände der Wallhalbinsel. Die soll nach dem Willen der Christdemokraten „entwickelt“ werden, so stand es in deren Wahlprogramm. Weiter heißt es dort: „Eine Verlängerung des Vertrages der ,Alternative‘ auf der Wallhalbinsel wird von uns abgelehnt.“

Projekt-Vertreter und Stadt verhandeln deshalb bereits seit Monaten über alternative Standorte. Die Forderungen der Alternative: Keine Einschränkungen gegenüber der derzeitigen Situation, ein Mietvertrag mit einer Laufzeit von 25 Jahren und ein Umzug nicht vor 2010. Damit sei die „Latte ganz schön hoch“ gesetzt, sagt Bernd Pavlik vom städtischen Ressort „Wirtschaft und Soziales“. Er räumt dem Projekt „rein juristisch keine Chance“ ein, verweist aber auf dessen „kulturelle und politische Bedeutung“.

17.000 Menschen unterschrieben Aufrufe, die „Walli“ zu erhalten – darunter Geschäftsleute aus der Stadt, durchaus aus eigenem Interesse: „Wir haben zu Konzerten und Veranstaltungen Besucher aus der ganzen Umgebung, bis aus Kiel und Flensburg“, sagt „Walli“-Aktivist Christoph Beyer. „Und die kaufen bei einem Besuch in der Stadt eben auch Marzipan für Oma.“

Eine Entscheidung über die Zukunft der „Walli“ fällen die Bürgerschaftsabgeordneten auf der Sitzung des Kommunalparlamentes am 28. April: Räumungsklage oder Mietvertrag. Oder? „Es kann auch herauskommen, dass alles beim Alten bleibt“, sagt der Verwaltungsmann Pavlik. Denn der Wunsch der Stadt, das innerstädtische „Filetstück“ versilbern zu können, scheiterte bisher daran, dass es noch keinen Käufer für das Grundstück gibt. est