: „Endlich normale Michaels“
In Deutschland schämt man sich für Dinge jenseits des Mainstreams, sagt Schauspieler Tyron Ricketts. Trotzdem spielt er in der romantischen Komödie „Brautpaar auf Probe“ mit (Sat.1, 20.15 Uhr)
VON JULIANE GRINGER
Tyron Ricketts kann fast alles. Moderieren: „Word Cup“, HipHop-Sendung auf Viva, vier Jahre erfolgreich gelaufen. Musik machen: Mitglied von Brotherskeepers, der antirassistischen Supergroup mit Samy Deluxe und Xavier Naidoo, dieses Jahr soll ein neues Album kommen. Business: In Köln gründete der 32-Jährige die Eventagentur „Panthertainment“, die unter anderem auch schwarze Models und Schauspieler vermittelt. Die Geschäftsführung hat er nun abgegeben, ist von Köln nach Berlin gezogen und konzentriert sich jetzt aufs Schauspielen: „Knockin’ on Heaven’s Door“, „Kanak Attack“ und „Barfuß“, der neue Til-Schweiger-Film, stehen da in seiner langen Liste von Kino- und Fernsehrollen. Und heute Abend spielt er in einem neuen Sat.1-Movie: „Brautpaar auf Probe“.
Dessen Handlung klingt erst mal nach den üblichen TV-Herzschmerz-Plattheiten: Eva Hassmann als allein erziehende Mutter Leslie, die das Schauspielstudium durch den Kellnerjob ersetzt hat und dringend Geld braucht, und Tyron Ricketts als Ghanese Koofi, der genug Geld hat, aber keinen Job mehr und deswegen auch keine Aufenthaltserlaubnis. Natürlich gehen sie eine Scheinehe ein und natürlich hassen sie sich erst und verlieben sich dann.
Trotzdem schafft es der Film, glaubwürdig emotional zu erzählen und von Klischees wegzurücken, „die eben oft in Drehbüchern stehen“, wie Ricketts nur allzu gut weiß. Jahrelang sei auch er selbst geradezu abonniert gewesen auf den dunkelhäutigen Austauschstudenten, HipHopper oder Drogendealer. Damit ist es inzwischen vorbei. „Die Rollen werden ernster.“ Er nimmt sich nun Zeit für Schauspielworkshops, um das Handwerk noch besser zu lernen. „Ich bin auf dem guten Weg dazu, endlich ganz normale Michaels, Christians und Alexanders spielen zu dürfen.“
Mit TV-Mainstream hat er dabei auch kein Problem. „Natürlich legt Kino mehr Wert auf Details und ich drehe wirklich sehr gerne Kinofilme, aber wenn etwas gut ist, sollen es doch möglichst viele Menschen sehen.“ Tyron Ricketts wählt die Rollen streng aus. „Ich will Filme machen, die ich nicht nur meine Mama toll findet, sondern die ich auch meinen Kumpels zeigen kann.“ Nun, was wohl die Jungs von „Brautpaar auf Probe“ halten werden?
In der „Liebeskomödie“ spielt der gebürtige Österreicher Ricketts einen „typischen“ Deutschen – Koofi, den spießigen Schweinshaxenliebhaber mit Ordnungsfimmel. „Das war für mich schauspielerisch eine Herausforderung, denn so bin ich gar nicht.“ Für die Hauptrolle bekam er einen Anruf direkt vom Produzenten. „Er wollte unbedingt, dass ich die Rolle übernehme – ich durfte vorher das Drehbuch noch auf Klischees bezüglich Koofis Hautfarbe abklopfen.“ Die Auseinandersetzung mit dem Thema Rassismus ist ihm wichtig. „Es ist aber lästig, dass es die Situation widerspiegelt, wenn wir immer noch und immer wieder darüber reden müssen“, so Ricketts. „Es ist noch kein entspanntes Thema, für beide Seiten nicht.“
Eigentlich hat er es auch für sich mit seinem Film „Afro Deutsch“ abgeschlossen: „Da konnte ich alle Gefühle rauslassen.“ „Afro Deutsch“, ein Kurzfilm gegen rechte Gewalt, den Ricketts selbst geschrieben, Regie geführt und darin die Hauptrolle gespielt hat, wurde 2002 beim Sundance Festival in Salt Lake City gezeigt. „Deutschland hat doch gerade durch die Mischung der Kulturen, die inzwischen hier alle leben, ein großes Potenzial an Kreativität“, meint Ricketts. „Es fehlt dem Land aber noch an Selbstbewusstsein, wenn es um diese Kreativität geht. Hier entschuldigt man sich immer gleich und schämt sich für Dinge, die ab vom Mainstream sind.“ Er selbst lebt solche „kreativen“ Dinge bewusst, lernt Tai Chi und Qi Gong und interessiert sich für Spirituelles. Völlig unironisch erzählt er deshalb auch, dass er versucht, sich in jede Rolle authentisch hineinzufühlen und immer auch einen Teil davon in seine Persönlichkeit zu integrieren.
Sehr gerne spielen würde er übrigens mal in einem Piratenfilm – mit Meutern und Kapern und so. „Ich will Rollen so erarbeiten, dass ich sie spüre. Nur dann ist es glaubwürdig.“ Bei „Brautpaar auf Probe“ war es die persönliche Ebene, die Liebesgeschichte der zwei Hauptdarsteller, die für ihn den Reiz ausgemacht hat. „Die Personen stehen im Vordergrund und das gefällt mir. Ich will über diese emotionale Seite ansprechen statt ausschließlich über politisch brisante Themen – die trotzdem diskutiert werden müssen.“
Wie wichtig ihm Identifikation und Empathie sind, zeigt sich auch im Geschäftsbereich: Für Panthertainment hat Ricketts zum Beispiel ein Konzept entwickelt, „Sense Marketing“, mit dem Marketing gezielt positive Botschaften an Produkte binden soll. „Wenn die Firma, bei der ich ein Produkt kaufe, Sportplätze in Problemkiezen baut, ist das doch bestens. Ich kann konsumieren und Gutes tun. Und die Firmen sollten über so ein Engagement auch reden.“
Das Konzept hat er beim letzten Brandclub-Meeting der Unternehmensberatung Boston Consulting Group vorgestellt, wo er zwei Jahre zuvor schon über Jugendmarketing referierte. Tyron Ricketts als „junger Wilder“ zwischen Schlipsträgern – auch das kann er.
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