Erkenntnisse einer Talkshow

Die Landesregierung erklärt die fast vergessene Emscher-Lippe-Konferenz posthum für erfolgreich. Trotzdem bleiben in Gelsenkirchen 26,4 Prozent der Menschen ohne Job

GELSENKIRCHEN taz ■ Am Anfang standen fünf Unternehmen und ein Oberbürgermeister im Kommunalwahlkampf: Die Firmen Vaillant, Saint Gobain, Pilkington, Rexam und TRW erklärten, zusammen über 1.000 Industriearbeitsplätze in Gelsenkirchen zu streichen, und OB Oliver Wittke fühlte sich zum Handeln genötigt. Flugs inszenierte der Christdemokrat eine groß angelegte Gelsenkirchen-Konferenz, eine von der Landesregierung veranstaltete Emscher-Lippe-Konferenz folgte. Das war vor einem dreiviertel Jahr, Gelsenkirchens Arbeitslosenquote lag bei 18 Prozent.

Mittlerweile sind – wenn auch nach neuer Zählweise – 26,4 Prozent der Gelsenkirchener arbeitslos, und die Landesregierung präsentierte gestern die Ergebnisse der fast vergessenen Talk-Runden. So genannte „Zielvereinbarungen“ für die Region hat Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) ausarbeiten lassen, 153 Einzelprojekte sind geprüft worden. Das Ergebnis ist wenig überraschend: Chemietechnik und Logistik, Energie- und Gesundheitswirtschaft sollen als Kompetenzfelder für die Region gestärkt werden. Konkrete Zeitpläne und Zusagen zur Höhe möglicher Fördermittel des Landes fehlen zwar noch immer, doch die Landesregierung stellt Geld für einen Masterplan in Aussicht, der den Einzelprojekten einen verbindlichen Rahmen geben soll. „Wir wissen jetzt, in welche Richtung die Region geht“, lobte sich MP Steinbrück.

Die Reaktion der anwesenden SPD-Lokalpolitiker war durchweg positiv: „Die Emscher-Lippe-Konferenz war erfolgreich“, bilanzierte Gelsenkirchens neuer SPD-Bürgermeister Frank Baranowski, DGB-Regionalchef Josef Hülsdünker will aus den verabschiedetem Zielvereinbarungen sogar eine Zusage für 30.000 Jobs herausgelesen haben. Impulse für den Arbeitsmarkt sind dennoch eher mittelfristig zu erwarten, weshalb SPD und Grüne im Gelsenkirchener Rat noch in dieser Woche per Resolution ein sofortiges Sonderinvestitionsprogramm für die Sanierung von Schulen und den Bau von Solaranlagen fordern werden.

Ex-OB Oliver Wittke, Initiator der Konferenzerei im Raum Gelsenkirchen, sprach nach dem Auftritt Steinbrücks von einer „Propagandaveranstaltung“. Der Essener Weihbischof Franz Grave war dem Treffen – wie andere auch – aus politischen Gründen fern geblieben. KLAUS JANSEN