berliner szenen Rosenkrieg

Blumen falten

„Sie müssen vorher überlegen, was Sie wollen!“ Streng weist der Mann hinter dem Tresen den Mann vor dem Tresen zurecht. „Aber ich will den gebundenen Strauß!“, mault der Kunde schlecht gelaunt. „Den da!“ Er zeigt auf die Auslage. „So was will ich haben!“ – „Aber Sie wollten doch eben noch die langstieligen Rosen! Jetzt habe ich sie extra für Sie kurz geschnitten!“ Der Rosenhändler ist verärgert. Er insistiert: „Sie müssen vorher überlegen, was Sie wollen! Abgeschnittene Rosen kauft mir keiner mehr ab!“

Das Gesicht des fetten Mannes, der Rosen will, rötet sich vor Zorn. Blitzschnell geht das. Binnen Sekunden verkommt ein schlichter Rosentransfer zum explosiven Geschäft. Und: Man möchte nicht zugegen sein, sollte sich der Frust des Herrn einmal physisch entladen (er steckt in einem Körper des Modells Oversize).

„ICH! WILL! DIE! ANDEREN! ROSEN!“, bellt der Kunde den Rosenhändler an. – „Macht sechs Euro! Sechs Euro für DIESE! Rosen!“, hält der dagegen. Mit dem Käufer ist auch eine schmale Frau in den Neuköllner Blumenladen gelangt. Stumm und regungslos steht sie neben ihm. „Die sechs Euro!!!“ Die Forderung des Händlers steht einen knisternden Moment lang unbeantwortet im Raum.

Schließlich, endlich, fingert der Kunde in seiner Hosentasche herum, findet Münzen, wirft die Summe auf den Tresen. Sodann ergreift er die inzwischen in Papier eingeschlagenen Blumen und faltet sie mit einer Hand. Mehrmals tut er das. Ganz langsam, ganz gemächlich, zerstört er die Rosen. Schafft Abfall, der auf dem Tresen liegen bleibt. Wortlos verlässt er den Laden. Stumm läuft die Frau ihm nach. Sie hat Tränen in den Augen.

GUNDA SCHWANTJE