ROBIN ALEXANDER über SCHICKSAL
: Elefant beißt Schwebebahn

Die Kleinfamilie auf der Suche nach der Topstory in Wuppertal. Ein Roadmovie

Bloß nicht wieder Kinder. Bloß nicht wieder Schalke. Diese Anforderungen stellen die Redaktion und der gesunde Menschenverstand an diesen Text. Verdammt schwer zu erfüllen, wenn man für eine Woche nach Westdeutschland gefahren ist, um a) den Großeltern den Enkel vorzuführen, b) das Fußballspiel Schalke 04 gegen Bayern München zu gucken und c) eine Geschichte in Wuppertal zu recherchieren.

Wuppertal. Es muss also um Wuppertal gehen. Ausgerechnet. In Wuppertal ist doch nichts mehr passiert seit dem Tod von Friedrich Engels und der Geburt von Johannes Rau (beides ungefähr um die vor- oder vorvorletzte Jahrhundertwende herum). Sonst hat Wuppertal noch die einzige Schwebebahn Europas und einen berühmten Zoo. Toll.

Wir fahren überhaupt nur mit dem Auto nach Wuppertal, weil jemand gesagt hat, in den Kinderabteilen der ICEs würden Kreti und Pleti mit ansteckenden Krankheiten herumlaufen. Ich hielt das für Anti-Unterschichten-Propaganda, die ja gerade mächtig Konjunktur hat, aber trotzdem sitzen wir jetzt zu dritt im Auto gen Westen und wem zuerst etwas einfällt, der hat gewonnen. Überraschenderweise fällt zuerst dem Armaturenbrett etwas ein. „Check engine“ leuchtet es gelb neben der Tankanzeige, als ich auf 140 beschleunige.

„Scheiße“, sage ich zu meiner Freundin, „Check engine.“

– „Das heißt, wir sollen den Motor überprüfen“, übersetzt sie.

– „Super“, sage ich, „jetzt weiß ich ja, wofür du zehn Semester Amerikanistik studiert hast.“

Ich steuere einen Parkplatz an und öffne die Motorhaube. Die Frau, die eigentlich bei uns für Technik zuständig ist, kümmert sich auf der Rückbank gerade um jemanden, der unerwähnt bleiben muss, obwohl er wirklich nichts mit Fußball zu tun hat.

– „Und? Was ist mit dem Motor?“, ruft sie nach vorn.

– „Hm, er ist auf jeden Fall noch da“, sage ich.

Für mich sieht ein Motor aus wie der andere und ich habe noch nicht viele in meinem Leben gesehen. Verstünde ich etwas von Motoren, wäre ich dann Leichtlohn-Journalist geworden? Ich starre den Motor ungefähr zehn Minuten an, dann wird der, der unerwähnt bleiben muss, an mich übergeben und meine Freundin guckt zehn Minuten den Motor an. Sie hat schon Trabis, Wartburgs, Skodas und Wolgas mit ihren Strumpfhosen wieder zum Fahren gebracht, als sie noch gar keine Strumpfhosen trug. Heute trägt sie auch keine, aber unser Auto ist auch kein Trabi. Leider. Nach zehn Minuten intensiver Suche nach irgendetwas Bekanntem unter der Motorhaube, gibt meine Freundin auf und sagt:

– „Hm, check engine. Haben wir ja jetzt eigentlich gemacht. Da können wir vielleicht weiterfahren.“

Tatsächlich. Die Warnung blinkt nicht mehr am Armaturenbrett, auch als ich später – selbstverständlich nur zu Testzwecken – 160 fahre. Meine Freundin versteht tatsächlich etwas von Technik. Der Wagen läuft, aber eine Story haben wir immer noch nicht. Wir sind nur noch hundert Kilometer von Wuppertal entfernt, da meldet sich der Volontär, der auf der Suche nach Anschluss in der Redaktion Anteil an meinem Schicksal nimmt, über Handy:

– „Ich habe etwas für dich gefunden. Super Story: In Wuppertal ist ein Elefant aus dem Zoo zu Werbezwecken mit der Schwebahn transportiert worden. Und – du wirst es nicht glauben – der Elefant ist aus der Bahn gestürzt.“

– „Nein!“

– „Doch! Aus der Bahn gefallen. Direkt in die Wupper. Aber der Elefant hat überlebt und sich nur den Rüssel gebrochen.“

– „Geile Geschichte“, schreie ich ins Funktelefon, schere auf die linke Spur aus und drücke das Gas durch, „wir können in einer halben Stunde vor Ort sein. Wann genau ist der Unfall passiert?“

– „Oh, das war 1950.“

In diesem Moment beschließe ich, demnächst bei der taz-internen Nachwuchsschulung mal ein Seminar über Aktualität zu geben. Jetzt sag ich erst einmal Danke.

Am Ende war unser Westdeutschland-Ausflug doch noch ein voller Erfolg. Die Großeltern: begeistert. Die Bayern: geputzt. Und die Story aus Wuppertal: der Hammer. Sie werden es selbst lesen. In Kürze. In dieser Zeitung. Ohne Elefant und Schwebebahn.

Was geschah in Wuppertal?

kolumne@taz.de

Montag: Peter Unfried CHARTS