Steinbrücks Energie-Offensive

Während CDU-Oppositionsführer Rüttgers überall Verhinderer sieht, kündigt NRWs Ministerpräsident „Großinvestitionen“ an: Bis 2012 sollen 13 neue Kraftwerke ans Netz

DÜSSELDORF taz ■ Nordrhein-Westfalens Sozialdemokraten gehen in die energiepolitische Offensive: Regierungschef Peer Steinbrück und sein Energieminister Axel Horstmann (beide SPD) haben gestern Kraftwerksersatz- und Neubauten im Gesamtwert von fünf Milliarden Euro angekündigt. So sollen allein am Standort Neurath im rheinischen Braunkohlentagerevier 2,2 Milliarden Euro investiert werden. In Walsum und Datteln wollen die Energieversorger Steag und Eon zwei neue Steinkohlekraftwerke bauen, und in Weisweiler, Hamm-Uentrop und Herdecke wird auf den Energieträger Gas gesetzt. „Diese Investitionen bedeuten einen Durchbruch für den Industriestandort Nordrhein-Westfalen“, jubelte Steinbrück gestern nach dem so genannten „Energiedialog“ mit Top-Managern der Branche – „tausende von Arbeitsplätzen“ seien gesichert oder entstünden neu.

Durch Vorstands- und Aufsichtsratsbeschlüsse abgesichert sind die Deals aber noch nicht alle: „Die Standortentscheidung fällt erst im Laufe des Jahres“, so etwa Eon-Sprecher Christian Drepper zur taz. Allerdings sei eine Entscheidung für Datteln „nicht unwahrscheinlich“, ist aus dem Konzern zu hören – die Kanalanbindung und der hohe Energiebedarf im Ruhrgebiet sprächen für den Standort im nördlichen Revier.

Dennoch erhält Steinbrücks SPD durch die Unterstützung der Konzerne einen Vorteil im Landtagswahlkampf – mit beim „Energiedialog“ dabei waren auch RAG-Chef Werner Müller, Wirtschaftsminister des ersten Kabinetts von SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder, und der Steag-Vorstandsvorsitzende Alfred Tacke, Ex-Staatssekretär von SPD-Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement.

Nur wenig Kritik kommt auch von Grünen, Umweltverbänden und Bürgerinitiativen. „Kohleverstromung und Kohleabbau sind zwei völlig unterschiedliche Fragen“, sagt Heidrun Griesser, stellvertretende Vorsitzende der Walsumer Bürgerinitiative Bergbaubetroffener. Die bekämpft zwar den Kohleabbau unter dem Rhein, fürchtet um die Sicherheit von Deichen und Trinkwasser, hofft aber wie Steinbrück auf neue Arbeitsplätze durch den Kraftwerksbau. Und der Bund für Umwelt und Naturschutz sieht besonders die Braunkohleförderung um Neurath kritisch, freut sich aber über den Einsatz des umweltfreundlichen Energieträgers Gas. Ähnlich argumentiert Reiner Priggen, energiepolitischer Sprecher der Grünen – der Ersatz der alten Braunkohleblöcke spare große Mengen des Klimakillers Kohlendioxid: „Es zeigt sich, dass Rüttgers nicht nur von der Energiepolitik keine Ahnung hat. Er redet das Land wider besseres Wissen schlecht.“

ANDREAS WYPUTTA