Sterbehilfe für Komapatientin legal

Höchstes US-Gericht weist Antrag ab, Ernährungsstopp einer Komapatientin zu verbieten. Ehemann kann seit gestern Abend lebenserhaltende Schläuche entfernen lassen. Die letzte Möglichkeit des Kongresses zum Einspruch ist gescheitert

AUS WASHINGTON MICHAEL STRECK

Das juristische und politsche Tauziehen um Leben und Tod einer Komapatientin in Florida dürfte Freitagnacht zu einem vorläufigen Ende gekommen sein. Wenige Stunden bevor ein Gerichtsurteil in Kraft treten sollte, das einen Stopp der künstliche Ernährung der 41-jährigen Terri Schiavo erlaubt, scheiterten letzte Versuche im US-Kongress, ihr Leben zu erhalten. Die Frau liegt seit einer Herzattacke vor 15 Jahren im Koma. Seit 1998 kämpft ihr Mann um das Recht, sie sterben zu lassen. Ihre Eltern wehren sich dagegen und glauben, ihre Tochter sei weiter bei Bewusstsein. Medizinische Gutachter sind jedoch davon überzeugt, dass Schiavos Gehirnschaden sie nur noch in einem vegetativen Stadium leben lässt.

Im Februar hatte ein Bezirksrichter in Florida entschieden, der Ehemann könne die Entfernung der lebenserhaltenden Schläuche anordnen, sofern nicht noch eine höhere Instanz einschreiten sollte. Darauf beantragten die Eltern vergangene Woche beim obersten US-Gerichtshof, den Ernährungsstop zumindest vorläufig zu verbieten. Die Verfassungshüter wiesen dies jedoch zurück. Zuvor hatte der Bruder des Präsidenten und Gouverneur von Florida, Jeb Bush, alles versucht, um die kranke Frau am Leben zu erhalten. Alle von Floridas Parlament diesbezüglich verabschiedeten Verordnungen wurden später von Gerichten wieder außer Kraft gesetzt.

Das familiäre und gerichtliche Drama entwickelte sich in den letzten Wochen zu einer erbitterten ideologischen und religösen Auseinandersetzung zwischen den politischen Lagern. Konservative und christliche Organisationen machten massiv gegen die Sterbehilfe Front und forderten die Unverletztlichkeit des Lebens notfalls mittels staatlicher Intervention aus Washington zu bewahren.

Viele Demokraten haben jedoch Bedenken, wenn sich der Kongress in diesen Fall einschaltet. Sie fürchten einen Präzedenzfall, der eine Flut ähnlicher Fällen auslöst und die Abgeordneten immer mehr in die Rolle medizinischer Gutachter drängt und so das parlamentarische System überfordert.

Kommentatoren sehen im Vorstoß der Republikaner einen weiteren Versuch, die Zuständigkeiten der Bundesstaaten-Gerichte zu untergraben, sollten deren Entscheidungen nicht in ihr ideologisches Raster passen. Der Aufruhr der Konservativen sei „eine Farce“, schreibt die Washington Post, und widerspreche deren Grundhaltung, dass Bundesstaaten souverän sind.

Mit Näherrücken der Freitagsfrist drängten die Republikaner im Kongress auf eine Entscheidung. Abgeordnetenhaus und Senat billigten Gesetzesvorlagen, die den Eltern der Komapatientin das ihnen bisher verweigerte Recht einräumen sollte, über die Gerichte in Florida hinaus auch Bundesgerichte anzurufen. Die Vorlagen weichen jedoch so stark voneinander ab, dass ein zur Verabschiedung notwendiger Kompromiss immer unwahrscheinlicher wurde. Auch das Parlament in Florida konnte sich in eilig anberaumten Sitzungen nicht auf ein Gesetz verständigen, das Terri Schiavo am Leben erhalten könnte.

So sind nach Einschätzung von Fachleuten die rechtlichen Möglichkeiten weit gehend ausgeschöpft und der Weg für den Tod Schiavos frei. Sie würde etwa sieben bis zehn Tage nach Einstellung der Nahrungszufuhr an Durst und Hunger sterben. Zwei Mal wurden die Geräte allerdings in der Vergangenheit bereits abgeschaltet, nur um nach wenigen Tagen aufgrund neuer Gerichtsbeschlüsse wieder angeschaltet zu werden.