Auf Bochumer Art

Der VfL begegnet den Anfeindungen gegen Trainer Neururer mit einem verblüffenden 5:1 über Wolfsburg

BOCHUM taz ■ Kann man an der Befindlichkeit der Trainer nach Schlusspfiff das Ergebnis ablesen? Die Antwort: ja, aber nur teilweise. Nach dem 5:1 des VfL Bochum gegen den VfL Wolfsburg saßen beide Trainer mit versteinerter Miene in der Pressekonferenz. Wolfsburgs Erik Gerets sprach von einem der „schlimmsten Erlebnisse“ in seiner 13-jährigen Trainerlaufbahn. „Die Leistung meiner Mannschaft in der ersten Halbzeit hat mich zutiefst erschrocken“, sagte Gerets weiter. Mit dem Halbzeitpfiff lagen die Wolfsburger bereits mit 0:4 im Hintertreffen und steuerten dem zehnten sieglosen Auswärtsspiel in Folge entgegen. Immerhin hatte Gerets noch ein paar warme Worte für seinen Trainerkollegen Peter Neururer über: „Ich will Peter herzlichst gratulieren. Er hatte einen schweren Nachmittag hinter sich. Er ist einer der Kollegen, mit denen ich mich gut bis sehr gut verstehe.“

Neururer nahm die Glückwünsche gerne entgegen. In „zweiter Linie“ wollte er sich auch noch bei seiner Mannschaft bedanken. Die hätte nämlich trotz aller Anfeindungen aus dem Umfeld die richtige Antwort auf dem Platz gegeben. In der Stimme schwang viel Enttäuschung mit und auch die Mimik ließ auf ein zerrüttetes Innenleben schließen. Kein Lachen, kein Grinsen, versteinert ließ Peter Neururer die Fragen über sich ergehen. Und egal, wie der Kampf um die Klasse ausgehen wird, die Symbiose Trainer, Team, Verein und Umfeld, von der Peter Neururer in den vergangen drei erfolgreichen Jahren regelmäßig schwärmte, wird sich so nicht mehr wieder herstellen lassen. Zu viel ist in den letzten sechs Monaten kaputt gegangen. Es geht nur noch darum, das laufende Spieljahr pragmatisch abzuwickeln. Stünden jetzt Neuwahlen an, Peter Neururer würde wohl nicht mehr antreten, zumal eine Wiederwahl als unwahrscheinlich erschiene.

Schon bei der Ankunft am Stadion wurde der Bochumer Mannschaftsbus von mehreren hundert Fans empfangen. Mit Pfiffen, Schmährufen, die sich vor allem gegen den Trainer richteten. Kapitän Dariusz Wosz sagte hinterher, dass er so etwas in seiner Profikarriere noch nie erlebt hätte. „Vor dem Spiel war die Reaktion schon sehr heftig“, sagte Wosz, im Spiel, wenn es nicht läuft, habe er sogar noch Verständnis dafür.

Die negative Stimmung setzte sich im Stadion fort. Ein Teil der Osttribüne blieb leer. Stattdessen hing dort ein Transparent mit der Aufschrift: „Wenn wir die Mannschaft nicht mehr erreichen, treten wir zurück.“ Eine Anspielung auf Äußerungen des Trainers. Die Atmosphäre bewegte sich zwischen Schweigen und Pfiffen. Zwischenzeitlich waren sogar die knapp 100 Wolfsburger Fans lauter zu hören – selbst nach der deutlichen Führung mochte keine Feierstimmung aufkommen. Im Gegenteil: Mitte der zweiten Halbzeit hauten sich die penetranten Neururer-Gegner aus den Kreisen der Ultras und Teile der mittlerweile wieder halbwegs versöhnten Fans „aufs Maul“. Selbstzerstörung auf Bochumer Art.

Auf dem Rasen war alles entschieden: Die Bochumer nahmen nüchtern zur Kenntnis, dass die „Resthoffnung“ (Neururer) auf den Klassenerhalt wieder „etwas größer geworden ist“. Dank der Offensivabteilung. Der mit Pfiffen begrüßte Vratislav Lokvenc und der nach vierwöchiger Sperre wieder spielberechtigte Peter Madsen trafen je einmal. Der zum Angreifer umgeschulte Edu konnte sich sogar zweimal in die Liste eintragen. Und Kapitän Dariusz Wosz setzte neben seinem Treffer zum 2:0 vor allem kämpferische Akzente. Defensiv, das fiel vor allem in der zweiten Hälfte auf, hatten die Bochumer trotz des deutlichen Ergebnisses weiter Probleme.

Wegen der Schwäche des Gegners fielen diese allerdings nicht besonders ins Gewicht. Die Wolfsburger agierten wie ein Absteiger und dürften bis zum Saisonende von der Punktausbeute der Hinrunde zehren.

Peter Neururer dagegen sagte für Sonntag alle Interviews ab. „Die ganze Situation ist mir auf den Magen geschlagen.“ Wegen der Länderspielpause müssen die Bochumer erst in zwei Wochen nach Mönchengladbach reisen. Ein unverhofftes Sechs-Punkte-Spiel – allerdings nur im Erfolgsfall. HOLGER PAULER