Tschechiens Regierung in der Vertrauenskrise

Christdemokraten drohen mit Regierungsaustritt. Oppositionelle Bürgerdemokraten fordern vorgezogene Neuwahlen

PRAG taz ■ Das Volk kann grausam sein: Nur 18 Prozent der tschechischen Wähler haben, so die neueste Umfrage, noch Vertrauen in Premier Stanislav Gross. Nur gut, dass das Volk einen eifrigen Advokaten im Vorsitzenden der christdemokratischen Partei (KDU-CSL) Kalousek gefunden hat. Der stellte dem sozialdemokratischen Koalitionspartner am Samstag ein Ultimatum: Sollte Gross innerhalb der kommenden Woche nicht zurücktreten, würden die drei christdemokratischen Minister die Regierung verlassen. Zudem drohte Kalousek mit vorgezogenen Wahlen.

Die Mehrheit der sozialdemokratisch-christdemokratischen Koalition hängt von einer Stimme ab. Ohne die KDU-CSL wären die Sozialdemokraten (CSSD) nicht regierungsfähig. Es sei denn, sie stützten sich auf die Kommunisten. Gerade das hat Gross bei seinem Amtsantritt versprochen, nicht zuzulassen.

Das Ultimatum der Christdemokraten mag ein Versuch sein, die Politszene zu bereinigen, die durch eine Affäre um Premier Gross angeblich beschmutzt wurde. Der kann weder die Finanzierung seiner Luxuswohnungen glaubwürdig erklären noch die unternehmerischen Machenschaften seiner Gattin. Jedoch soll nicht nur Gross Dreck am Stecken haben. Kalousek selbst steht unter Verdacht, Steuern hinterzogen zu haben.

Um seinem Rivalen Gross zu zeigen, wie man auf solche Verdachtsmomente reagiert, trat Kalousek vom Vorsitz des Haushaltsausschusses des Abgeordnetenhauses zurück. Eine „theatralische Geste“, kommentierte Gross, die aber denselben Zweck verfolgt, wie das Ultimatum: die Anbiederung an die oppositionellen Bürgerdemokraten (ODS).

Schließlich wollen Kalousek und seine Truppe auch nach den kommenden Wahlen ein Wörtchen mitzureden haben in der Regierung. Und die dürfte nach dem nächsten Urnengang von der ODS bestimmt werden. Wenn am nächsten Sonntag Wahlen wären, könnte die ODS mit 40 Prozent der Stimmen rechnen. Kein Wunder also, dass sie seit Beginn der Affäre um Gross auf Neuwahlen drängt.

Die CSSD würde bei dieser Neuverteilung fast leer ausgehen. Laut Umfragen liegt sie bei 13 Prozent. Ihr Chef Gross hat, was die Unbeliebtheit angeht, einen neuen Rekord aufgestellt: Nicht nur, dass gerade mal 18 Prozent ihm vertrauen – 60 Prozent sähen sogar gerne seinen Rücktritt. Keine guten Vorzeichen für Gross, der beim CSSD-Parteitag am kommenden Wochenende um den Parteivorsitz kämpft. ULRIKE BRAUN