Sommer, Sonne, Sucht

TANOREXIE Übermäßiges Sonnenbaden kann süchtig machen. Die Betroffenen fühlen sich dennoch blass

Sonnenlicht macht glücklich. Denn UV-Strahlen erhöhen die Ausschüttung von Endorphinen und wirken damit stimmungsaufhellend. Sogar Vitamin D wird während eines Sonnenbades gebildet. Das stärkt das Abwehrsystem. Die Schattenseite ist: Wer sich zu häufig der Sonne aussetzt, kann süchtig werden.

Zu dieser Erkenntnis kommen amerikanische Dermatologen in einer Studie über Solariumgänger. Die Sucht nach UV-Strahlen wird als Tanorexie bezeichnet. Ähnlich wie die Magersucht ist die Bräunungssucht vor allem ein psychologisches Phänomen. Empfinden sich Magersüchtige selbst als „zu dick“, kann UV-Licht-Süchtigen die Haut gar nicht braun genug sein.

Dabei verdrängen die Betroffenen, dass häufiges Sonnenbaden die Haut schneller altern lässt und das Hautkrebsrisiko erhöht. Das positive Gefühl nach dem Solarium scheint immun gegen Risikowarnungen zu machen. Erst nach Jahrzehnten zeigen sich die Folgen der Dauerbestrahlung.

Eine suchtähnliche Erkrankung manifestiere sich laut der Studie, wenn der oder die Betroffene sich fast täglich bräunt. Außerdem nutzen „Tanorexier“ jede freie Minute zum Bräunen. Sogar zu Entzugserscheinungen kann es kommen. Die Probanden beklagten Zittern, depressive Verstimmungen, Schlafstörungen und Übelkeit. Die Forscher führten die Symptome auf den Entzug von Glückshormonen zurück.

In den Hamburger Kliniken werden derzeit noch keine Patienten wegen UV-Sucht behandelt. Weil bundesweit jährlich 130.000 Menschen an Hautkrebs erkranken, fordert die Bundesärztekammer eine engere Zusammenarbeit zwischen Dermatologen und Psychotherapeuten.

JOSEPH VARSCHEN