„Mich amüsiert der ganze Betrieb noch“

HOCH- UND POPULÄRKULTUR Jetzt bloß nicht „Skandalnudel“ sagen! Ein Gespräch mit der vielseitigen Sängerin, Entertainerin und Schauspielerin Désirée Nick, die in diesem Jahr ihr silbernes Bühnenjubiläum feiert

■ Geboren 1956 in Berlin-Charlottenburg, ausgebildete Balletttänzerin mit Engagements an der Deutschen Oper Berlin, der Staatsoper München und dem Pariser Lido. Studiert daneben Religionspädagogik und arbeitet einige Jahre als Lehrerin. Mitte der 80er startet sie ihre Bühnenkarriere mit klassischen Theaterrollen, Anfang der 90er kommen eigene Showprogramme dazu. Legendär ihre Auftritte im Berliner Szeneladen „Zosch“ als gnadenlose Kabarettistin (über Ute Lemper: „Die trägt jetzt Strapse aus Jute“). Filmrollen in Rosa von Praunheims „Neurosia“ und Max Färberböcks „Aimée und Jaguar“. Sie wird Bestsellerautorin, u. a. mit der Verbalattacke gegen Eva Hermann, „Eva, go home“, und ist bald häufiger Gast in den Boulevardformaten des Privatfernsehens. In Berlin ist Désirée Nick jetzt mit ihrer Jubiläumsshow „Ein Mädchen aus dem Volk“ in der Bar Jeder Vernunft zu sehen.

INTERVIEW HEIKE KAREN RUNGE

taz: Frau Nick, gibt es Fragen, die Sie nicht mehr hören können?

Désirée Nick: Die meisten Journalisten fragen tatsächlich immer dasselbe: „Wie sind Sie zu Ihrem Beruf gekommen?“ „Was wollen Sie in Ihrem Leben noch erreichen?“ „Ist es anstrengend?“ Aber man muss auf die gleichen Fragen ja nicht immer dieselben Antworten geben.

Sie feiern in diesem Jahr ganz offiziell Ihr silbernes Bühnenjubiläum. Zu welcher Karriereleistung würden Sie sich selbst ausdrücklich gratulieren?

Zu meiner Vielseitigkeit. Mein Facettenreichtum ist mit Sicherheit eine seltene künstlerische Qualität. Aber es ist auch eine Sache, mit der ich mich unbeliebt mache. Momentan spiele ich in Bad Hersfeld die Kalypso in Homers „Odyssee“. Im Herbst dann wieder im Berliner Renaissance-Theater die Florence Foster Jenkins, und dann sieht man mich eben zwischendurch bei Sat.1 in dem Doku-Format „Traumfrau sucht Mann“. Nennen Sie mir mal einen Künstler, bei dem das genauso ist!

Die Wahrnehmung Ihrer Person in der Öffentlichkeit ist eine andere. Man kennt Sie als „Dschungelkönigin“ und Lästermaul.

Ich weiß nicht, warum ausgerechnet ich ein Lästermaul sein soll.

Sie stänkern nicht über die Medien gegen andere Prominente?

Welche Prominente meinen Sie denn?

Die Mutmaßungen über Anouschka Renzis Schönheitsoperationen machten Schlagzeilen.

Das ist fünf Jahre her, und seitdem bin ich damit oft und überall kopiert worden. Wahrscheinlich war ich meiner Zeit damit voraus und habe eine Goldmine entdeckt. Inzwischen laufen im Fernsehen ganze Lästerprogramme, und zwar ohne mich. Ich bin wirklich die Letzte, die dafür zuständig ist. Anders als eine Sibylle Weischenberg …

die Society-Expertin aus dem Sat.1-Frühstücksfernsehen …

… die im Fernsehen erzählt, was sie in der Bunten gelesen hat, lebe ich vom Theater und von meinen Shows.

Das Image der ungemein spitzzüngigen Frau ist also falsch?

Es lässt vor allem Rückschlüsse auf den Horizont des Kritikers zu. Wer in mir nicht mehr zu sehen vermag als die Quatschtante, dem fehlen die Antennen für die anspruchsvolleren Sachen. Man kann immer nur das erkennen, wozu die eigenen Kapazitäten ausreichen, und Gott sei Dank gibt es in der sogenannten Hochkultur, um das deutsche Unwort zu strapazieren, genug Leute, die in mir mehr sehen als das, worauf man mich in einer billigen Form immer wieder gerne festzunageln versucht.

Oliver Pochers Eltern waren Zeugen Jehovas, Harald Schmidt kommt aus streng katholischen Verhältnissen, Sie haben Religionspädagogik studiert. Taugt die Religion als Basis für den zynischen Witz?

Unsere Museen wären komplett leer, wenn es keinen Katholizismus gäbe. Da würde doch gar nichts an den Wänden hängen, das ist die Basis der gesamten abendländischen Kultur. Andererseits gibt es dort, wo Cindy aus Marzahn herkommt, nun wieder überhaupt keine Religion. Die überlebt schließlich auch ohne diesen kulturellen Hintergrund. Der Background dieser Generation kommt nicht aus der Kirche, sondern aus dem iPod.

Bedauern Sie das? Sie gehörten anfangs zu den Unterstützerinnen der Pro-Reli-Kampagne, haben sich dann aber davon distanziert. Wie wichtig ist Religion im Alltag?

Jedes Ausschlafen am Sonntag ist gelebter Katholizismus! Ostern, Pfingsten, Weihnachten sind gelebter Katholizismus, auch wenn die Leute heute nur noch die Feiertage wollen und sich durch die Shopping Mall schieben und sich zu Hause ihre Brückentage ausrechnen, damit sich aus Pfingsten oder Ostern ein 8-Tage-Urlaub zimmern lässt. Und dann sagen sie, sie sind Atheisten oder Agnostiker, aber die Feiertage werden abgesahnt! Das ist doch so was von brüchig, da brauchen wir uns ja gar nicht drüber zu unterhalten.

Ist Ihnen der Bildungsbürger lieber als der RTL-Zuschauer?

Überhaupt nicht. Nichts ist langweiliger als ein homogenes Publikum. Wenn 90 Prozent Schwule zusammensitzen – wie auf dem CSD –, wird’s doch auch schon wieder öde, weil die alle so was von einer Meinung sind. Am besten ist es immer dann, wenn man die Schwulen gegen die Hausfrauen ausspielt und die bourgeoise Tupperware-Bezirksleiterinnen-Truppe gegen irgendwelche extrem impertinenten Szenetypen. Der Kirchenverein soll neben den Prostituierten sitzen, dann wird’s lustig.

Die FAZ lobte kürzlich Ihre Darstellung der Kalypso. Wie wichtig sind Kritiken?

Das war eine Hymne, in der es hieß, dass die „Skandalnudel Désirée Nick“ sich vollkommen der Rolle untergeordnet und ganz ohne sprachliche Manierismen und in einer sagenhaften Vielschichtigkeit den Charakter verkörpert hätte. Mich wundert allerdings, warum jemand seine lobende Kritik gleich wieder selbst durch dieses Skandalnudel-Gerede torpediert. Gott sei Dank amüsiert mich der ganze Betrieb noch, und ich beobachte mit großer Distanz, wie die öffentliche Wahrnehmung letztlich an meiner Person scheitert.

Die sogenannten Trash-Formate stehen in der Kritik, weil sie die Boulevardisierung des Intimen betreiben. Welche Grenze ziehen Sie zwischen Privatleben und Medien?

„Ich beobachte mit großer Distanz, wie die öffentliche Wahrnehmung letztlich an meiner Person scheitert“

DÉSIRÉE NICK

In mein Privatleben guckt mir überhaupt keiner rein. Ist keiner dabei, wenn ich mit meinem Kind zum Reitunterricht gehe.

Kennt die Medienöffentlichkeit also nur die Kunstfigur Désirée Nick?

Das wäre auch wieder zu einfach. Die Kunstfigur hat sehr natürliche Seiten und ist auch eine recht burschikose und unkomplizierte Person.

Sie waren im Dschungelcamp, haben im „Perfekten Promidinner“ gekocht und sollen in diesem Sommer in der Kuppelshow „Traumfrau sucht Mann“ neben Sabrina Setlur und Maja von Hohenzollern an den Mann gebracht werden. Was schätzt denn die Theaterfrau Désirée Nick am Reality-Format?

Ich liebe das Format. Wo sonst kann man denn Sendezeit so völlig frei selbst gestalten? Nirgends! Fernsehen ist Teamarbeit. Das heißt, Autoren, Redakteure, Dramaturgen dürfen bei allem immer mitreden und natürlich immer auch mitverdienen. Bei den Reality-Formaten passiert genau das, was mir passiert. Das kann man dann schneiden und sendegerecht aufbereiten, aber es kann nur das ausgestrahlt werden, was gesagt worden ist.

Dass es bei Dating-Formaten um das Suchen und Finden eines Partners geht, glauben mittlerweile nicht mal mehr die Fans dieser Sendungen. Mit welcher Haltung gehen Sie an die öffentliche Traummann-Sichtung heran?

Ich bin gespannt, was sich da so meldet. Natürlich hat man es letztlich mit Männern zu tun, die vor allem erst mal ins Fernsehen wollen. Aber vielleicht ist dann doch einer dabei. Jedenfalls bin ich für alles offen.

Angeblich haben kluge, attraktive und erfolgreiche Frauen besondere Probleme, den passenden Partner zu finden.

Das kann ich nur bestätigen. Gucken Sie sich doch diese Familien an, die sich in Anoraks durch die Fußgängerzonen schieben, wenn am Samstag Einkaufen angesagt ist! Wer geht denn da lang? Offenbar alles Frauen, die ihren Traummann gefunden haben. Es ist das bescheidene, unscheinbare Graue-Maus-Modell, das am Ende geheiratet wird.