Leserbriefe zum Artikel über Soja, Tofu und Essensphilosophie

■ betr.: „Essen ohne Schuld?“, sonntaz vom 27. 6. 09

Biofleisch für Reiche

Wer mal ungewürzte Wurst gegessen hat, weiß, dass es gar kein „Wurstaroma“ gibt, es sind nämlich erst die Gewürze, die die Wurst „nach Wurst“ schmecken lassen, so wie wir sie kennen. Daher ist die Wurst ohne Gewürze dem Tofu sehr ähnlich, beide schmecken nach fast nichts. Warum sollte man Tofu also nicht mit denselben Gewürzen würzen dürfen wie die geschmacklose Wurst?

Im Übrigen kann auch Fleischessen ein soziales Geschmäckle haben, denn Reiche leisten sich Fleisch aus dem Ökoladen und Arme essen das, was aus dem Supermarktkühlregal kommt und nicht den strengen ökologischen Anforderungen entspricht wie das aus dem Bioladen.

MANUELA KUNKEL, Stuttgart

■ betr.: „Essen ohne Schuld?“, „Fleisch, Mann“,sonntaz vom 27. 6. 09

Steak fürs Proletariat

„Reiche kaufen Bio, Arme Gen-Fraß“. Seit wann ist das eigentlich ein spezifisches Tofuproblem? Während die eklatante Misshandlung von Tieren für die taz offenbar keiner längeren Ausführungen bedarf, kann Jan Feddersen auf derselben Seite seine unselige Fleischpoesie verbreiten. Tofu ist elitär, das Steak der Glücklichermacher des Proletariats. Auf welchem Niveau wollen wir uns eigentlich unterhalten? Die sonntaz bietet ein trauriges Bild.

LUKAS SCHULTE-BENNBUR, Bonn

■ betr.: „Essen ohne Schuld?“

Bei Tofu verging mir der Appetit

Danke für diesen Artikel. Jedem Wort stimme ich zu. Ich dachte, ich versuche es einmal mit Tofu. Da verging mir fast der Appetit. Warum macht man den Leuten ein so schlechtes Gewissen? Warum muss es Soja sein? Soja ist sogar im Verruf, Krebs auszulösen, genossen in großen Mengen. Warum braten wir nicht unser Gemüse, das seinen Eigengeschmack behält? Was in der Ernährung uns alles erzählt wurde, ist Horror. Das Einzige, was weniger werden muss, ist der Fleischkonsum. GOCKELINE, online-taz

■ betr.: „Essen ohne Schuld?“

Vegetarisch-vegane Yuppiekultur

Ein sehr schöner Artikel, der das Paradoxon der von Dogmen geprägten vegetarischen/veganen Yuppiekultur treffend analysiert. Was ist tierleidfrei? Was ist tierverbrauchsfrei? Was ist „fair“, was ist bio? Gedanken, die sich Menschen in einem Schlaraffenland voll Überfluss wie Deutschland machen und sich dabei Schuld einreden oder sich selbst Ablasstofu kaufen. Es geht nicht um die Lebensweise, es geht um den Eifer, mit dem Fehlinformationen, Snuffmovies und Denunziationen völlig unreflektiert von der Szene weitergegeben werden, von anderen, die unbedingte Tierleidfreiheit verlangen, sich selbst aber einen großzügigen Rahmen der „Unvermeidbarkeit“ eingestehen.

Ich bin Mensch, ich bin bewusster Tierverwerter, von Leder über Fleisch und Medikamenten. Und das ist wirklich gut so. Ich nehme in Kauf und befürworte, dass Tiere für mich getötet werden. Tofu kann man essen, aber sicher nicht als Fleischersatz. Wer als Vegetarier behauptet, dass er den Geschmack von Fleisch nicht vermisst, mag erklären, warum gerade Fleischersatzprodukte so hoch im Kurs stehen. Nun ja, liebe Ablassfreunde, Askese und Buße waren schon immer eine Sache der Eremiten und Mönche. JOE VOGEL, online.taz

■ betr.: „Essen ohne Schuld?“, „Die Wunderbohne der Nazis“

Verunglimpfung der Vegetarier

Oho, der Autor ist Feinschmecker! Till Ehrlich schmeckt genau, wann der Pfeffer- mit dem Auberginengeschmack eine „neue geschmackliche Verbindung“ eingeht, und Rauch darf nur an Fleisch oder Fisch – Vegetarier bleiben von diesen kulinarischen Segnungen ausgeschlossen. Wie überflüssig kann ein Artikel sein? Was möchte der Autor? Vegetarier verunglimpfen mit dem Argument, Hitler habe den Tofu erfunden? Und das Argument, der Sojaanbau zerstöre „in Südamerika die Umwelt und forciert die Armut“ verbitte ich mir, bis alle Fleischfeinschmecker nur noch Tiere essen, deren Futtermittel in heimischem Biolandbau angebaut werden – und nicht (in Form von Soja) auf gerodeten Urwaldflächen in Brasilien oder Argentinien!

NIKOLAS BÖHM, Berlin

■ betr.: „Essen ohne Schuld?“, „Die Wunderbohne der Nazis“

Fleisch trotz Massentierhaltung?

Wissen Sie, Herr Ehrlich, was das Nervigste am Vegetarierinnendasein ist? Nein, nicht die dauernden Fragen, ob man denn auch nicht Huhn/Fisch oder Sonstiges essen würde. Auch nicht, ob man denn gesund sei. Nicht mal die Feststellung, dass Vegetariertum „nichts bringt“. Das Nervigste ist, sich mit den in Ihrem Artikel aufgeworfenen „Fakten“ und Nazivergleichen auseinandersetzen zu müssen.

Sie fragen, warum Vegetarier nicht auf Fleischgeschmack verzichten wollen? Ich frage Sie, warum Sie trotz Fleischskandalen, Massentierhaltung und dem Amazonas lieber VegetarierInnen in die Nähe des Nationalsozialismus stellen, als eine ernsthafte Debatte darüber in Gang zu setzen, wie Lösungen für komplexe Ernährungsfragen aussehen könnten. Massentierhaltung innerhalb der kapitalistischen Warenproduktion wird es nicht sein. MAREN HEUVELS, Hamburg

■ betr.: „Essen ohne Schuld?“, sonntaz vom 27. 6. 09

Selbstgerechte Tofuverfechter

Ich fand Ihren Artikel sehr interessant und in der Abwägung von geschmacklichen Zusammenhängen, Küchentraditionen und sonstigen Überlegungen sehr unterhaltsam. Auch bewundere ich Ihren Mut, so etwas ausgerechnet in der taz zu schreiben, schließlich gehören speziell Tofuverfechter zu den intolerantesten und selbstgerechtesten Bevölkerungsgruppen überhaupt. Schon als ich Sonntagnachmittag die Printausgabe las, vermutete ich ein großes Echo, was am Montag dann auch bestätigt wurde.

MICHAEL, online-taz

■ betr.: „Essen ohne Schuld?“

Es gibt keine schuldfreie Ernährung

Ich finde es gut, einen kritischen Artikel (der nicht die Meinung der gesamten Redaktion widerspiegeln muss) in einer Zeitung zu lesen, die ich gerade deshalb lese, weil sie kritisch ist! Wo kämen wir hin, wenn ich in meiner Zeitung nur meine eigene Meinung lesen würde? An alle, die hier immer damit drohen, ihr Abonnement zu kündigen: Wie kann man sich so angegriffen fühlen von jemandem, der einem einen Blick über den Tellerrand, in durchaus berechtigter anderer Sichtweise als der eigenen ermöglicht? Ich hoffe das sind dann nicht dieselben, die an anderer Stelle für Pressefreiheit und Meinungsfreiheit schreien! Selbstreflexion ist hier angesagt. Das Problem bei Fleischessern wie auch Vegetariern ist meiner Meinung nach die fehlende Selbstkritik. Und wenn wir es unbedingt so ausdrücken wollen: Natürlich gibt es keine „schuldfreie“ Ernährung. Wie es auch sonst keinen schuldfreien Konsum gibt.

Seinen Aktionsrahmen im Projekt „wir helfen der Umwelt“ sollte sich jeder selbst abstecken. Nicht durch blinden Aktionismus, sondern wohlüberlegt. ANNA, online-taz

■ betr.: „Essen ohne Schuld?“, „Fleisch, Mann“

Männlichkeitstümelei

Till Ehrlich schafft es einmal mehr, sämtliche Ressentiments aufzufahren, ohne dabei irgendeine substanzielle Aussage abzugeben, die darüber hinausgeht, eine vielfältig begründete Lebensweise lächerlich zu machen und ins fahle Licht des Reaktionären zu verrücken. Dass die von ihm beklagten Umweltschäden durch Soja-Anbau vor allem von der Tierindustrie durch Futtermittelproduktion verursacht werden, widerlegt sein Ökologieargument, zumal 70 Prozent des CO2-Ausstoßes auf die Tierindustrie zurückgehen, welche nur 10 Prozent des möglichen Nährwerts aus den Böden in Nahrung umsetzt. Dass dann noch Jan Feddersen seine Konsumlaunen männlichkeitstümelnd als hedonistische Subversion gegen Klassensnobismus verkauft, macht die Sache rund. Vegetarismus ist keine Verzichtsideologie, sondern die lustbetonte Entscheidung, Ethik und Ökologie praktisch werden zu lassen. TORBEN LÜTH, Göttingen

■ betr.: „Essen ohne Schuld?“, „Die Wunderbohne der Nazis“

Bester Bio-Tofu für 1,99 Euro

Es ist mitnichten so, dass sich nur „reiche“ biotofu leisten könnten, während sich „arme“ mit „gentechnisch verändertem sojafraß“ begnügen müssten, wie das herr ehrlich auf plumpe art und weise glauben machen möchte. für etwa 1,99 euro erhält mann oder frau im handel 400 gramm besten biotofu und damit über 50 wertvolle gramm pflanzliches protein. an einem solchen preis-leistungs-verhältnis haben selbst fleischliche discountalternativen sprichwörtlich zu knabbern. und warum sollten eigentlich menschen, die auf vegetarische kost umstellen, dann auch gleich auf ihre favorisierten geschmacksnoten – im artikel „wurstaromen“ genannt – verzichten? etwa nur, um in das klischeehafte vegetarierbild eines taz-redakteurs zu passen?

bei den aktuellen nahrungsmittelversorgungsproblemen in diesem zusammenhang auch noch auf die völkisch beeinflusste lebensreformbewegung anfang des 20. jahhunderts zu verweisen sowie auf die nazis bezug zu nehmen, halte ich darüber hinaus ehrlich gesagt für gewaltig deplatziert.

MICHAEL DINSE, Pforzheim

■ betr.: „Essen ohne Schuld?“, „Fleisch, Mann“

Sojaanbau fürs Schnitzel

Wirklich unerträglich finde ich, dass nun wiederholt Sojaanbau und die damit verbundenen Folgen für Mensch und Umwelt als Argument gegen den Konsum von vegetarischer Kost und Sojaprodukten herangezogen wurde. Es ist zwar richtig, dass der Anbau von Soja global folgenreich ist. Der Anbau dient jedoch nur im vergleichsweise sehr kleinem Umfang der Herstellung von vegetarischen Sojaprodukten. Für die Erzeugung von einem Kilogramm Fleisch werden durchschnittlich sieben Kilogramm Getreide oder Sojabohnen benötigt. Die riesigen Sojaanbauflächen wie zum Beispiel in Südamerika dienen somit hauptsächlich dem Fleischkonsum. Ein weiterer bedeutender Anteil des Sojaanbaus fließt in die Produktion von Biosprit, dem häufig Sojaöl beigesetzt ist. EMMA WALLACE, Hamburg

■ betr.: „Die Wunderbohne der Nazis“

Vegetarismus für den Charakter

Überspitzt gesagt hat, laut Herrn Ehrlich, erst die Wunderbohne den Zweiten Weltkrieg ermöglicht?! Die Sojabohne als Geheimwaffe der Nazis?Herr Ehrlich hätte andere Beispiele finden können. Vegetarismus war auch für Pythagoras eine Lösung, nicht nur für die Gesundheit, sondern auch für den Charakter. WIL BIEZEN, Berlin