Runter vom Sattel, rauf auf die Palme

Am Fischmarkt müssen Radfahrer wegen 200 Metern Radweg absteigen und auf die andere Straßenseite wechseln. Alltagsfahrer wehrt sich gegen absurde Umleitung und behördliche Untätigkeit. Eilentscheidung vor Gericht beantragt

Von Gernot Knödler

Wer als Radler von der Breiten Straße kommend den St.Pauli Fischmarkt hinabrollt, kann sein Rad normalerweise laufen lassen. Zurzeit wird er allerdings jäh gestoppt: „Radfahrer absteigen und andere Straßenseite benutzen“ gebieten zwei große weiße Schilder am Fuß des Abhangs. Ein Anblick, an den sich Alltagsradler schon gewöhnt haben, dessen Absurdität an dieser Stelle Frank Bokelmann aus Nienstedten aber so auf die Palme gebracht hat, dass er vor Gericht dagegen vorgeht.

Nach einer kilometerweiten Fahrt über Elbchaussee, Klopstockstraße, Palmaille und Breite Straße werden Radler kurz vor dem Fischmarkt plötzlich auf einen Radweg gezwungen. Das ist unter normalen Umständen akzeptabel, doch wegen der Baustelle ist dieser Radweg bereits nach 200 Metern unterbrochen. Statt die Radfahrer die paar Meter bis zur Großen Elbstraße weiter auf der Straße fahren zu lassen, zwingen Baufirma und Polizei sie abzusteigen, zweimal die Fahrbahnseite zu wechseln und dabei auf einem engen Radweg Gegenverkehr in Kauf zu nehmen. „Ein Bubenstück besonderer Art“, findet Bokelmann.

Die bundeseinheitlichen „Richtlinien für die Sicherung von Arbeitsstellen an Straßen (RSA)“ geben ihm Recht. Darin heißt es klipp und klar: „Die Beschilderung ‚Radfahrer absteigen‘ soll grundsätzlich nicht zur Anwendung kommen, zumal sie in der Praxis nur unzureichend Akzeptanz findet. Ebenso soll eine Umleitung des Radverkehrs über die andere Straßenseite oder über einen anderen Straßenzug vermieden werden.“ Vielmehr könne der Radverkehr „auf dem Gehweg oder auf der Fahrbahn an der Baustelle vorbeigeführt werden“.

Wunderbar, dachte sich Bokelmann und reichte Widerspruch gegen die Radwegebenutzungspflicht an dieser Stelle beim Polizeikommissariat 15 am Spielbudenplatz ein. „Die Behörde reagierte nicht“, sagt Bokelmann. Mündlich sei er abgewimmelt worden, schriftlich habe er gar keine Antwort erhalten.

Dies ahnend, hatte Bokelmann der Polizei bereits einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz angekündigt, den er jetzt beim Verwaltungsgericht eingereicht hat: Das Gericht soll im Eilverfahren die Benutzungspflicht aufheben. „Ich verlange eine Entscheidung über die Radverkehrsführung vor und neben der Baustelle, die meinen Sicherheits- und Mobilitätsinteressen Rechnung trägt“, sagt Bokelmann. Diese müsse schnell getroffen werden, denn bis ein Hauptverfahren abgeschlossen sei, gebe es die Baustelle nicht mehr.

Dass die jetzige Umleitung nicht rechtmäßig ist, liegt für Bokelmann auf der Hand. Vor der Baustelle auf die Fahrbahn zu wechseln, sei riskant, weil der Radweg an der Innenseite einer Kurve liege. Die Fahrt auf dem gegenüberliegenden Radweg sei behindernd und zudem verboten. Denn der sei zu schmal, um Gegenverkehr gefahrlos zu passieren. Er könne daher „verlangen, die Baustelle auf der Fahrbahn passieren zu dürfen“.

Selbst wenn das Gericht Bokelmanns Widerspruch stattgäbe, würde der Radler nur ein winziges Stückchen Freiheit im Einzelfall gewinnen. Eine endgültige Entscheidung sei wohl nie zu erlangen, räumt Bokelmann unter Hinweis auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts von 1998 ein. Damals hatte das Gericht geurteilt, dass ein Radler kein Recht habe, die Rechtswidrigkeit einer Baustellenabsperrung auf dem Radweg feststellen zu lassen – auch dann nicht, wenn die Straßenbaubehörde zugibt, sie werde in einer vergleichbaren Situation genauso entscheiden.