: Das Geschäft mit privatem Trinkwasser
Weltweit sollen Konzerne Zugriff auf die Wasserversorgung der Bevölkerung bekommen. Entwicklungshelfer, Umweltschützer und Gewerkschaften warnen vor steigenden Preisen und schlechterer Qualität. Ein Beispiel aus Uruguay gibt ihnen Recht
AUS PORTO ALEGRE UND BERLIN G. DILGER UND S. KOSCH
130 Liter Wasser verbraucht jeder Deutsche am Tag. Das ist zwar deutlich weniger als die Hälfte von dem, was durch die Wasserhähne der USA fließt. Aber immer noch ein lohnender Markt. Zumindest wenn es so läuft wie in Berlin, wo RWE und der französische Vivendi-Konzern 1999 knapp die Hälfte der Wasserbetriebe übernommen haben. Ihnen wurde für 29 Jahre eine Rendite von 8 Prozent pro Jahr garantiert. Seit 2004 müssen die Berliner 15 Prozent mehr Gebühren zahlen, in diesem Jahr kommen noch mal 5,4 Prozent dazu.
Steigende Kosten durch Privatisierung – für die „Aktion Schutzdeich“ gegen Wasserprivatisierung ein weltweites Phänomen. Das Bündnis, hinter dem unter anderen Brot für die Welt, Attac und Ver.di stehen, startete gestern seine Protestaktion gegen den Trend zur Privatisierung der Wasserversorgung. So dränge die EU bei der Welthandelsorganisation auf eine Öffnung der Wassersektoren auch von Entwicklungsländern.
Doch Wasser „ist und bleibt ein öffentliches Gut“, sagte Peter Drews, Wasserexperte bei der Gewerkschaft Ver.di. Nicht nur in Berlin, auch in Städten wie Buenos Aires und Manila habe die Privatisierung zu steigenden Preisen geführt. Und die Entwicklungen in Uruguay sind ebenfalls problematisch.
Dort hatten am 31. Oktober 64,4 Prozent der Bevölkerung zwar für einen Verfassungszusatz gestimmt, wonach die Trink- und Abwassersysteme ausschließlich öffentlich betrieben werden müssen. Doch der seit drei Wochen amtierende Präsident Tabaré Vázquez sieht keinen Anlass, den europäischen Wasserkonsortien Aguas de la Costa und Uragua zu kündigen.
Ende 1992 hatte Aguas de la Costa, hinter dem sich der Multi Suez aus Frankreich verbirgt, die Konzession für den 40 Kilometer langen Küstenstreifen nördlich von der Touristenhochburg Punta del Este erhalten. Derzeit liegen die Grundgebühren für die meisten Privathaushalte im Konzessionsgebiet 7- bis 16-mal so hoch wie sonst in Uruguay. Kostenlose Wasserstellen wurden abgeschafft, eine Lagune wurde trockengelegt, die Abwasserleitungen führte man nur 2 Meter unter dem Sandstrand entlang, was bei Stürmen wiederholt zu Rohrbrüchen führte.
Bezahlbar ist das privatisierte System nur für die betuchten Eigentümer der Ferienhäuser, die hier in den letzten Jahren gebaut worden sind – und für die Luxushotels. Viele Privatleute behelfen sich mit eigenen Brunnen, andere sammeln Regenwasser.
2000 bekam für das restliche Gebiet der Provinz Maldonado das spanische Konsortium Uragua den Zuschlag. Auch hier gab es Pannen und Pleiten: Monatelang musste das Trinkwasser abgekocht werden, weil Kolibakterien aufgetaucht waren. In Punta del Este ergoss sich ein Strom von Fäkalien in den Hafen und an die Strände, der Badeort Piriápolis blieb in der Hochsaison fünf Tage auf dem Trockenen.
Seit der Peso-Abwertung 2002 schreibt die Firma rote Zahlen. Das Wasserreferendum nahm sie letzte Woche als Vorwand, um für ihren längst beschlossenen Rückzug 14 Millionen Euro Entschädigung zu fordern. Nun will ihr die Regierung nachweisen, dass sie den Vertrag nicht eingehalten hat.
Dass Privatisierung zur Verbesserung der weltweiten Wasserversorgung führt, darf also bezweifelt werden. Dabei liegt noch vieles im Argen. Nach Angaben des Kinderhilfswerks Unicef sind zwar weltweit inzwischen 83 Prozent der Menschen ausreichend mit Wasser versorgt. Doch für eine Milliarde Menschen seien verschmutzte Teiche und Brunnen die Wasserquelle. Wegen mangelnder Trinkwasserversorgung stürben 4.000 Kinder – jeden Tag.
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